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zeszyt nr 10/2011 - Zbliżenia Interkulturowe

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Rozważania literackie<br />

36<br />

bitten, daß er mir die Pferde wiedergebe,<br />

mich aufschwingen, und sie dir<br />

herreiten?‘ – Lisbeth wagte nicht: ja!<br />

ja! ja! zu sagen – sie schüttelte weinend<br />

mit dem Kopf, sie drückte ihn heftig an<br />

sich, und überdeckte mit heißen Küssen<br />

seine Brust. (III, 27)<br />

Der Text macht deutlich, wie gern sie „ja“<br />

gesagt hätte. Aber das hieße, sich mit der<br />

‚Gebrechlichkeit der Welt‘ abzufi nden, und<br />

das wäre nicht die Sache von Michael Kohlhaas.<br />

Dann hat Lisbeth, wie es heißt, „einen<br />

Einfall“: Sie selbst will mit einer erneuten<br />

Bittschrift an den Landesherrn nach Berlin<br />

gehen. Sie weiß, „daß es in tausend Fällen<br />

einer Frau leichter sei, als einem Manne,<br />

ihm zu nahen.“ (III, 28) Außerdem habe<br />

der Kastellan des kurfürstlichen Schlosses<br />

früher mal um sie geworben und würde ihr<br />

sicher gern helfen.<br />

Ein guter Plan, aber er scheitert. Der<br />

Kastellan ist nicht anwesend, und die unnachgiebige<br />

Palastwache stößt die Frau<br />

so hart mit dem Schaft einer Lanze, dass<br />

sie, schwer verletzt mit einer gefährlichen<br />

Quetschung an der Brust ohnmächtig wird.<br />

Zufall oder tieferer Sinn? Sie handelt<br />

nicht instinktiv, sondern aus Berechnung<br />

und Planung, – instrumentalisiert sie ihre<br />

Weiblichkeit? Wir sollten uns daran erinnern,<br />

wenn wir uns Kleists Aufsatz über das<br />

Marionettentheater ansehen.<br />

Kohlhaas brachte sie, die von der Reise<br />

völlig zugrunde gerichtet worden war,<br />

in ein Bett, wo sie, unter schmerzhaften<br />

Bemühungen, Atem zu holen, noch<br />

einige Tage lebte. Man versuchte vergebens,<br />

ihr das Bewußtsein wiederzugeben<br />

(…); sie lag mit starrem, schon<br />

gebrochenem Auge, da, und antwortete<br />

nicht. Nur kurz vor ihrem Tode kehrte<br />

ihr noch einmal die Besinnung wieder.<br />

Denn da ein Geistlicher lutherischer<br />

Religion (zu welchem eben damals aufkeimenden<br />

Glauben sie sich, nach dem<br />

Beispiel ihres Mannes, bekannt hatte)<br />

neben ihrem Bette stand, und ihr, mit<br />

lauter und empfi ndlich-feierlicher Stimme,<br />

ein Kapitel aus der Bibel vorlas: so<br />

sah sie ihn plötzlich, mit einem fi nstern<br />

Ausdruck, an, nahm ihm, als ob ihr daraus<br />

nichts vorzulesen wäre, die Bibel<br />

aus der Hand, blätterte und blätterte<br />

(…) und zeigte dem Kohlhaas, der an<br />

ihrem Bette saß, mit dem Zeigefi nger<br />

den Vers: ‚Vergib deinen Feinden, tue<br />

wohl auch denen, die dich hassen.‘ – Sie<br />

drückte ihm dabei mit einem überaus<br />

seelenvollen Blick die Hand, und starb.“<br />

(III, 29 f.)<br />

Natürlich hält sich Kohlhaas nicht an die<br />

letzte Bitte seiner Frau, im Gegenteil, sein<br />

Rachegefühl gegenüber seinen Feinden, denen<br />

er nun auch noch den Tod der geliebten<br />

Frau verdankt, wächst ins Grenzenlose.<br />

Und natürlich scheidet diese Frau mit<br />

ihrem Tod schon im ersten Viertel der Erzählung<br />

nicht aus der Geschichte. Als eine<br />

Art Wiedergängerin tritt sie erneut in Erscheinung.<br />

Eine Zigeunerin, die die Zukunft<br />

kennt und auch Proben davon gibt,<br />

weissagt dem Kurfürsten von Brandenburg<br />

die glückliche Zukunft seines Hauses.<br />

Auch der anwesende Kurfürst von Sachsen<br />

möchte die Zukunft kennen. Die Zigeunerin<br />

zögert, schreibt dann den Namen des<br />

letzten Regenten seines Hauses, die Jahreszahl,<br />

da er sein Reich verlieren wird, und<br />

den Namen des Eroberers, auf einen Zettel.<br />

Den Zettel gibt sie aber nicht dem Kurfürs-

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