zeszyt nr 10/2011 - Zbliżenia Interkulturowe
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Teksty<br />
mięsne w Lublinie. Fleischwerke in Lublin.<br />
Ursprünglich befand sich der Schlachthof<br />
an einer anderen Stelle, bevor in den Jahren<br />
1926–1929 dieses Gebäude gebaut und<br />
er hierher verlegt wurde. Über eine Rampe<br />
transportierte man das zerlegte Fleisch zu<br />
den nahe gelegenen Gleisen, von dort exportierte<br />
man es dann nach Italien, Österreich,<br />
Belgien, Dänemark und England. Im<br />
Zweiten Weltkrieg wurden von hier aus die<br />
Juden in die Vernichtungslager gebracht. In<br />
der polnischen Erzählung Eine ausnehmend<br />
lange Linie fi ndet die Schriftstellerin Hanna<br />
Krall Worte für das Grauen, das sich hier<br />
abgespielt hat:<br />
Den Schlachthof umgab eine Fabrikmauer.<br />
Zwischen Mauer und Halle waren Bahngleise.<br />
In der Halle wurden Tiere getötet und<br />
zerlegt, auf den Gleisen fuhren Güterwaggons<br />
ab. In der Frühe fuhren sie mit Menschen ab<br />
– zu den Gaskammern. Am Tag mit Fleisch<br />
– an die Front. Der Schlachthof arbeitete ununterbrochen,<br />
und die Juden, denen es geglückt<br />
war, nicht in die Waggons einzusteigen,<br />
versuchten, sich zwischen den getöteten Tieren<br />
zu verstecken. Dort verbrachten sie mehrere<br />
Stunden, manchmal einen ganzen Tag und<br />
eine ganze Nacht…. Alle zwei Tage kamen<br />
die Deutschen auf den Schlachthof. Sie wussten,<br />
dass sich hier Juden verbargen. Sie suchten<br />
nach ihnen zwischen den noch lebenden<br />
Tieren, dann zwischen den getöteten, dann<br />
in den Kühlräumen zwischen den Fleischhälften,<br />
dann auf den Lastwagen, die vom<br />
Schlachthof zur Rampe fuhren. Sie stachen<br />
mit langen Metallklingen in das Fleisch. Die<br />
Menschen, die sie im Fleisch gefunden hatten,<br />
führten sie zu den Waggons.<br />
Heute produziert in dem völlig verfallenen<br />
Gebäude eine Firma also Massagerol-<br />
86<br />
len. Mein Kopf hält die Vorstellung nicht<br />
mehr aus. Die Bilder verdrängend kämpfe<br />
ich mich durch die Geröllmassen noch<br />
zu jener Seite des Gebäudes, wo einst die<br />
Rampe stand und die Schienen verlegt waren.<br />
Steige über zerbrochene Stühle, Teermatten,<br />
Bauschutt durch eine aufgebrochene<br />
Wand ins Innere. Doch außer weiteren<br />
Wänden, Säulen und Schutt gibt es nichts<br />
mehr zu sehen. Ich kehre um. Das Taxi,<br />
mit dem ich hergekommen bin, wartet<br />
noch auf der anderen Straßenseite. Ob<br />
ich gefunden hätte, was ich gesucht habe,<br />
fragt mich der Fahrer. Doch mir fehlen die<br />
Worte.<br />
Gegenwärtig zählt die jüdische Gemeinde<br />
in Lublin nicht einmal mehr zwei Dutzend<br />
Personen. Ihre Existenz endete fünf Kilometer<br />
entfernt von hier im Vernichtungslager<br />
Majdanek. Wer überlebte, verließ die<br />
Stadt und das Land in Richtung Amerika<br />
oder Israel.<br />
Dr. Matthias Kneip, geboren 1969 in Regensburg,<br />
ist Schriftsteller, Publizist und<br />
Wiss. Mitarbeiter am Deutschen Polen-<br />
Institut in Darmstadt. <strong>2011</strong> wurde er vom<br />
Land Niedersachsen für seine Arbeit im<br />
deutsch-polnischen Kulturaustausch mit<br />
dem renommierten Kulturpreis Schlesien<br />
ausgezeichnet.<br />
Zum Buch:<br />
Nach seinen Büchern „Grundsteine im Gepäck.<br />
Begegnungen mit Polen“ und „Pole<strong>nr</strong>eise“<br />
hat sich Matthias Kneip erneut auf<br />
Entdeckungsreise ins Nachbarland begeben,<br />
um interessante Menschen und einzigartige<br />
Orte in dessen östlichem Grenz-