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Das Mirakel von Bernsdorf - Demo - Buch.de

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Da stand sie auch auf, zog das Nachthemd über <strong>de</strong>n Kopf, sagte: Er wagt es sowieso<br />

nicht, Ta<strong>de</strong>usz. Wo doch die Franzosen hier sind. Die Franzosen und <strong>de</strong>r Michel, sie<br />

wer<strong>de</strong>n’s gar nicht zulassen.<br />

Er hat Polen <strong>de</strong>m Sachsen gegeben, murmelte Ta<strong>de</strong>usz.<br />

Sie zuckte mit <strong>de</strong>n Schultern. Ich red vom Baron und du vom Kaiser Napoleon, Ta<strong>de</strong>usz!<br />

Ich weiß, ich weiß, sagte er, stieg in die Schuhe, ging hinaus. Kopfschüttelnd sah Halina die<br />

Tür an, schlurfte dann, halb angeklei<strong>de</strong>t, vor <strong>de</strong>n Schrank, nahm Marias Brautkleid heraus,<br />

betrachtete es liebevoll und mit Angst.<br />

Da schlug die Kirchturmuhr fünfmal.<br />

Da richtete sich Michel Marten ruckartig in seinem Bett auf und dachte: So ein Traum aber<br />

auch. Was man in diesen Nächten träumt, zwischen Weihnachten und Neujahr, geht in<br />

Erfüllung, heißt es. Bist du abergläubisch, Michel Marten? Nicht sehr.<br />

Trotz<strong>de</strong>m mühte er sich, <strong>de</strong>n Traum ins Gedächtnis zurückzurufen, doch je mehr er sich<br />

mühte, um so rascher verflüchtigten sich die Traumbil<strong>de</strong>r. Paris, die Seine, die<br />

Wäscherinnen. Heinrich Marten und Andreas Suhrbier. Die Flucht aus Erfurt, in<br />

Frauenklei<strong>de</strong>rn, die gestohlene Bauernkriegsfahne, zerschnitten und unter die Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s<br />

„Menschheitsbun<strong>de</strong>s“ verteilt - er trägt sein Stückchen noch heute mit sich herum, <strong>de</strong>r<br />

Michel Marten -, ein unentwirrbares Durcheinan<strong>de</strong>r war dieser Traum, <strong>de</strong>nn auch August<br />

Lemke und die Bittschrift waren darin vorgekommen, und Jean-Pierre und Henriette.<br />

Leise stand Michel Marten auf und klei<strong>de</strong>te sich an, horchte auf Jean-Pierres ruhige<br />

Atemzüge, schlich dann aus <strong>de</strong>m Zimmer, die Treppe hinunter, auf <strong>de</strong>n Hof.<br />

Zertretener Schnee. Schwaches Licht aus <strong>de</strong>n Ställen, aus <strong>de</strong>n kleinen Fenstern <strong>de</strong>s<br />

Gesin<strong>de</strong>hauses. Sattes Schmatzen <strong>de</strong>r Kühe. Hohes, ungeduldiges Quieken <strong>de</strong>r Schweine,<br />

das allmählich verstummte.<br />

Michel ging aus <strong>de</strong>m Tor, stapfte durch <strong>de</strong>n unberührten Schnee zur Kirche. Sah die Spur,<br />

die vom Pfarrhaus zur Kapelle führte, Spur eines Menschen und eines Hun<strong>de</strong>s. Sah <strong>de</strong>n<br />

Lichtschein aus <strong>de</strong>r Kapelle.<br />

Da schlug die Kirchturmuhr halb. Halb sechs.<br />

Da stöhnte Andreas Suhrbier im Traum und kämpfte mit <strong>de</strong>m Ertrinken. Auf <strong>de</strong>r<br />

Rheinbrücke in Mainz hatte er gestan<strong>de</strong>n, er, Richter Suhrbier, Beamter <strong>de</strong>r französischen<br />

Republik, nach <strong>de</strong>m Prozess gegen <strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Aufruhrs angeklagten Heinrich Marten, für <strong>de</strong>n<br />

er Freispruch erwirkt hatte. Und in <strong>de</strong>n Rhein geworfen hatte er ein Fetzchen Stoff,<br />

geschnitten aus einer Bundschuhfahne, Erkennungszeichen für die Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s<br />

„Menschheitsbun<strong>de</strong>s“. Und <strong>de</strong>m Fetzen Stoff war er nachgesprungen - im Traum, nur im<br />

Traum -, und nun taucht er tief bis auf <strong>de</strong>n Grund, aber er fin<strong>de</strong>t das Stück Stoff nicht, er<br />

kämpft mit <strong>de</strong>m Wasser, das es nicht mehr hergeben will, er stöhnt so laut, dass <strong>de</strong>r alte<br />

Suhrbier aus <strong>de</strong>m leichten Greisenschlaf fährt, aufsteht, <strong>de</strong>n Sohn rüttelt: Andreas,

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