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Das Mirakel von Bernsdorf - Demo - Buch.de

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3<br />

Es war noch nicht einmal sieben Uhr, als Michel aus <strong>de</strong>r Kirche heraustrat und ins Dorf ging.<br />

Der Schnee knirschte unter seinen Stiefeln. Es friert Stein und Bein, dachte er, jetzt könnte<br />

man wohl nach J. über <strong>de</strong>n See reiten.<br />

Hier und dort sah er Menschen - vor <strong>de</strong>n Häusern, bei <strong>de</strong>n Ställen, sie grüßten ihn ohne<br />

Scheu und ohne die stumme Missbilligung, die er noch gestern Vormittag auf <strong>de</strong>m Friedhof<br />

in ihren Augen gefun<strong>de</strong>n hatte.<br />

Er hatte am vergangenen Abend noch sehr lange in <strong>de</strong>r Kate <strong>de</strong>s Lemke-Karl-Wilhelm<br />

gesessen, hatte mit August die Bittschrift aufgesetzt; da war <strong>de</strong>r eine und <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re aus<br />

<strong>de</strong>r Nachbarschaft dazugekommen, schließlich saßen zehn, zwölf Leute um <strong>de</strong>n Tisch<br />

herum, die alle ihre Meinung zur Bittschrift sagen wollten, hier verlangten sie ein Wort<br />

dazuzusetzen und dort eins zu streichen, es wur<strong>de</strong> eine emsige, lange Arbeit. Schließlich<br />

waren sie zufrie<strong>de</strong>n mit ihrem Werk, da brachte August zu En<strong>de</strong>, was er Stun<strong>de</strong>n zuvor, im<br />

Pfer<strong>de</strong>stall, begonnen hatte: Wenn es nun trotz - o<strong>de</strong>r wegen! - <strong>de</strong>r Bittschrift Krach geben<br />

sollte mit <strong>de</strong>m Baron, was dann er, Michel Marten, täte und was <strong>von</strong> <strong>de</strong>n französischen<br />

Soldaten zu erwarten sei.<br />

Peinliche Stille, sekun<strong>de</strong>nlang.<br />

Endlich sagte Michel: Zumin<strong>de</strong>st und auf je<strong>de</strong>n Fall - Neutralität.<br />

Na ja, sagte August, das ist schon immerhin etwas. Und nun erzähl uns mal was, Michel. Ich<br />

hab doch allen gesagt, dass du heute Abend erzählen willst, etwas ganz Aufregen<strong>de</strong>s, auch<br />

darum sind doch jetzt hier so viele Menschen, da kannst du mich jetzt nicht im Stich lassen.<br />

Michel lachte. Was Aufregen<strong>de</strong>s? sagte er, mein Gott, ich hab viel Aufregen<strong>de</strong>s erlebt, seit<br />

ich aus <strong>Bernsdorf</strong> weg bin. In Frankreich? fragte jemand gespannt.<br />

Auch, sagte Michel, aber auch in Deutschland. Zum Beispiel in Erfurt, ja, das muss ich euch<br />

erzählen. Also in Erfurt, da war ich anno 1795 zusammen mit meinem Vater, <strong>de</strong>m Heinrich<br />

Marten, und <strong>de</strong>m Andreas Suhrbier, das ist <strong>de</strong>r Bru<strong>de</strong>r <strong>von</strong> <strong>de</strong>r Susanna <strong>von</strong> <strong>Bernsdorf</strong>. Wir<br />

gaben eine Zeitschrift heraus, die wir „<strong>Das</strong> neue grüne Ungeheuer“ nannten, sie war<br />

verboten, <strong>de</strong>nn sie rief zur Revolution in Deutschland auf. Wir mussten sehr vorsichtig sein.<br />

Als Druckort schrieben wir „Altona“, <strong>de</strong>nn in Altona durfte man so gut wie alles drucken,<br />

weil's dort keine Zensur gab. Da herrschten die Dänen. Darum gingen wir später nach<br />

Altona, als wir aus Erfurt fliehen mussten.<br />

Er sah sie <strong>de</strong>r Reihe nach an, sie hingen an seinen Lippen, mein Gott, dachte er, warum ist<br />

dies Volk angeblich untauglich, eine Revolution zu machen?<br />

Nu erzähl schon, drängte <strong>de</strong>r alte Lemke, siehst doch, wie wir drauf spannen. Immer, wenn<br />

jemand aus <strong>de</strong>r Welt da draußen zu uns kommt, fragen wir ihn aus, bis es ihm über wird.<br />

Haben wir mit meinem August auch gemacht, als er aus <strong>de</strong>m Krieg zurückkam. Die an<strong>de</strong>rn<br />

fünf <strong>Bernsdorf</strong>er, die mit ihm weg waren, die sind ja lei<strong>de</strong>r nicht zurückgekommen. Mussten<br />

irgendwo ins Gras beißen, die armen Hun<strong>de</strong>. Also, nu red schon, Marten-Michel.<br />

Na schön, sagte Michel, also stellt euch vor: Wir bei<strong>de</strong>, Andreas Suhrbier und ich, sitzen in

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