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Das Mirakel von Bernsdorf - Demo - Buch.de

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Wo bleibt ihr <strong>de</strong>nn? sagte Dorothea vorwurfsvoll.<br />

Ja, gleich, sagte Janke und lief wie<strong>de</strong>r hinaus, die Treppe hoch, kam wenig später mit<br />

Henriette zurück.<br />

Auch im Terrassenzimmer waren sie aufmerksam gewor<strong>de</strong>n, hatten <strong>de</strong>n Ausbruch <strong>de</strong>s<br />

Barons erstaunt beobachtet, stan<strong>de</strong>n nun schweigend und sahen durch die offene Tür zu,<br />

wie Halina die Scherben zusammenkehrte.<br />

Da blieb Joachim nichts an<strong>de</strong>res übrig, als <strong>de</strong>n Schwager zu begrüßen, er tat es steif,<br />

gezwungen; Andreas lächelte ihm aber entgegen, sagte: Hallo, Joachim, alter Kommilitone,<br />

Leben noch frisch? - wie sie sich vor Jahr und Tag zu begrüßen pflegten bei einem<br />

Wie<strong>de</strong>rsehen. Zuletzt in Mainz.<br />

Jean-Pierre entschuldigte sich und ging - nach <strong>de</strong>n Leuten müsse er sehen; so blieben sie<br />

zu dritt im Terrassenzimmer, setzten sich um <strong>de</strong>n Tisch, und alle drei dachten sie, dass sie<br />

vor über zehn Jahren auch zu dritt um einen Tisch gesessen hatten, erst zu dritt und dann zu<br />

viert, und Rotwein hatten sie getrunken auf ein gutes Wie<strong>de</strong>rsehen. Da kam Joachim in<br />

Versuchung, aufzustehen und eine Flasche Rotwein zu holen. Aber er tat es nicht. Sie<br />

re<strong>de</strong>ten freundlich und höflich miteinan<strong>de</strong>r. Über Belanglosigkeiten. Je<strong>de</strong>r bemühte sich,<br />

gefährliche Themen zu vermei<strong>de</strong>n, vorsichtig, wie ein Schiff gefährliche Riffe in Küstennähe<br />

umschifft. Nur in Gedanken, da sprachen sie über solche Themen. Da re<strong>de</strong>ten sie<br />

unverstellt.<br />

In Gedanken - während er über das Wetter spricht und über Andreas' Reise hierher und<br />

über <strong>de</strong>n Baron und über die Jagd und wie<strong>de</strong>r über das Wetter - da sitzt Michel in Mainz.<br />

Kein Schnee fällt, son<strong>de</strong>rn Regen, <strong>de</strong>r obligatorische dünne, kalte Novemberregen, <strong>de</strong>r<br />

Ofen strahlt Wärme aus, ein Blick aus <strong>de</strong>m Fenster, da steht <strong>de</strong>r Freiheitsbaum, <strong>de</strong>n sie<br />

Stun<strong>de</strong>n zuvor gepflanzt haben. Besser: Sie haben zugesehen, wie er aufgestellt wur<strong>de</strong>,<br />

haben mitgerufen im Chor <strong>de</strong>r übrigen: „Vive la revolution !“ „Vive la nation!“ Und jetzt, im<br />

Zimmer <strong>de</strong>r Witwe Haufe, das Joachim gemietet hat und in <strong>de</strong>m sie zu dritt hausen, jetzt<br />

heben sie die Gläser: Auf <strong>de</strong>n Freiheitsbaum! <strong>Das</strong>s er bald überall in Deutschland<br />

aufgerichtet wird! Vive la nation!<br />

So Andreas.<br />

Aber als sie die Gläser absetzen, sagt Joachim: Welche Nation meinen wir eigentlich? Die<br />

<strong>de</strong>utsche? O<strong>de</strong>r die französische?<br />

Ist das wichtig? fragt Michel Marten, meinetwegen bei<strong>de</strong>.<br />

Mir ist es wichtig, beharrt Joachim. Ich bin kein Franzose. Du warst noch nicht in Paris,<br />

Michel, fahr du nur erst dorthin, und du wirst dich schnell genug wie<strong>de</strong>r nach Deutschland<br />

sehnen.<br />

Ich meine die französische, sagt Andreas. Ich muss die französische meinen, damit ich<br />

einmal die <strong>de</strong>utsche meinen kann, wer weiß wann, aber einmal wird es sein. Vorerst haben<br />

wir für Deutschland nichts zu hoffen. Und die Mainzer Republik hat nur diese eine<br />

Möglichkeit - um Anschluss an die französische Republik zu bitten, wenn sie leben will.

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