Das Mirakel von Bernsdorf - Demo - Buch.de
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Fällt draußen noch <strong>de</strong>r Novemberregen? Ist es nicht schon März gewor<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r Schnee<br />
geschmolzen, <strong>de</strong>r Rheinisch<strong>de</strong>utsche Nationalkonvent zusammengetreten, die Mainzer<br />
Republik ausgerufen? Und Georg Forster müht sich, die Abgeordneten zu überzeugen,<br />
dass nur durch <strong>de</strong>n Anschluss an Frankreich die erste <strong>de</strong>utsche Republik geschützt ist?<br />
Ja, nur diese eine Möglichkeit, so ist es, sagt Michel Marten. Auch Joachim wi<strong>de</strong>rspricht<br />
nicht. Ich weiß, sagt er. Der Forster, <strong>de</strong>r bleibt ein Deutscher. Trotz<strong>de</strong>m - lieber wäre mir,<br />
wenn ganz Deutschland ...<br />
Red nicht, sagt Andreas, das wäre uns auch lieber, und <strong>de</strong>m Forster auch, aber wo ist<br />
<strong>de</strong>nn die <strong>de</strong>utsche Revolution geblieben?<br />
Lasst nur erst die französischen Heere weiter vorstoßen, sagt Michel, wartet nur ab, wie<br />
sich dann ganz Deutschland erheben wird.<br />
Andreas sieht ihn spöttisch an. Ich glaube, <strong>de</strong>ine Fantasie geht mit dir durch, Michel, sagt<br />
er. Weißt du, wann das geschehen wird?<br />
Und Andreas hebt sein Weinglas hoch und fängt zu singen an: „Wenn’s schneiet rote Rosen<br />
und regnet kühlen Wein ...“<br />
Da steckt die Witwe Haufe <strong>de</strong>n Kopf zur Tür hinein, ein gutmütiges, rosiges Gesicht, faltig<br />
schon, aber noch immer rosig, und sie sagt mit heiserem Staunen in <strong>de</strong>r Stimme: Eine<br />
Dame ist da, Herr <strong>von</strong> <strong>Bernsdorf</strong>, die sucht nach Ihnen, sagt sie, ganz ohne Begleitung, mit<br />
eigenem Reisewagen und Postpfer<strong>de</strong>n und gemietetem Kutscher, <strong>de</strong>n sie schon<br />
fortgeschickt hat samt <strong>de</strong>n Pfer<strong>de</strong>n, sie wird doch nicht bleiben wollen, wo Sie schon zu<br />
dritt sind, und drei Männer dazu ...<br />
Will sie aber, sie fürchtet drei Männer nicht, sagt eine fröhliche Stimme, und Marianne<br />
Hauschildt, geborene Vischer, schiebt sich an <strong>de</strong>r missbilligend staunen<strong>de</strong>n Wirtin vorbei ins<br />
Zimmer.<br />
Die fahren doch morgen nach Paris, meine Freun<strong>de</strong>, stammelt Joachim. Und auch, als Frau<br />
Haufes Kopf verschwun<strong>de</strong>n ist, bringt er nur diese Frage heraus: Marianne, mein Gott, was<br />
suchen Sie in Mainz, was wollen Sie hier tun, wissen Sie nicht, dass uns möglicherweise<br />
eine Belagerung durch die Preußen bevorsteht?<br />
Marianne lacht. Ad eins, sagt sie, ich suche dich. Ad zwei: Ich will hier malen. Den Georg<br />
Forster zum Beispiel. O<strong>de</strong>r dich. O<strong>de</strong>r Freiheitsbäume. O<strong>de</strong>r Jakobinermützen. <strong>Das</strong> ist mir<br />
ziemlich einerlei. Ad drei - ich ahne es, aber was tut das? Frankreichs Soldaten wer<strong>de</strong>n<br />
Mainz nicht hergeben, <strong>de</strong>nke ich. Und noch zu zwei: Auch ein Glas Wein möchte ich, meine<br />
Herren.<br />
Diese Marianne ... Sie stoßen mit ihr an, räumen ihr das Gepäck aus <strong>de</strong>m Wagen.<br />
Malen? sagt Joachim, wissen Sie, was Sie hier malen müssen, Marianne? <strong>Das</strong> Geschmeiß<br />
aus <strong>de</strong>m Jakobinerklub, das Mitläufergesin<strong>de</strong>l, die Phrasendrescher, die Theaterspieler, die<br />
sich gesundstoßen wollen, <strong>de</strong>nen Freiheit nicht mehr be<strong>de</strong>utet als Macht und Gel<strong>de</strong>rwerb -<br />
alle diese erbärmlichen Menschen, die nichts kennen als geheuchelte Empfindungen - die<br />
musst du malen, Marianne.