Das Mirakel von Bernsdorf - Demo - Buch.de
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Einverstan<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m letzteren, <strong>de</strong>r Zeitschrift, sagt <strong>de</strong>r Professor. <strong>Das</strong> erste ist zu<br />
verschwommen. Revolution in ganz Deutschland? Traum, Illusion, Unmöglichkeit.<br />
Deutschland ist nicht Frankreich.<br />
Ich <strong>de</strong>nke, sagt Alois zögernd und errötet dabei, ich <strong>de</strong>nke folgen<strong>de</strong>s: Im Geheimen eine<br />
Armee <strong>von</strong> ungefähr tausend Stu<strong>de</strong>nten zusammenstellen, mit ihr gegen Mainz marschieren,<br />
Mainz befreien, aufs neue die Mainzer Republik ausrufen, damit das Signal für <strong>de</strong>n<br />
gesamt<strong>de</strong>utschen Aufstand geben, <strong>de</strong>n die Zeitschrift vorbereitet hat.<br />
Und wenn dieser Aufstand dann ausbleibt? fragt <strong>de</strong>r Professor. Wenn, wenn, ruft Heinrich<br />
Marten zornig. Wenn die Franzosen so lange überlegt hätten, bevor sie die Bastille<br />
erstürmten, ob sie’s tun sollten o<strong>de</strong>r nicht, dann gäbe es vielleicht bis heute noch keine<br />
französische Republik!<br />
Was ich bezweifle, sagt <strong>de</strong>r Professor. Du bist zu hitzig, lieber Freund. Ich erinnere noch<br />
einmal daran, dass wir hier in Deutschland sind und nicht in Frankreich. Ein Aufstand, <strong>de</strong>r<br />
vom Volk ausgeht, ist in diesem Land vollkommen un<strong>de</strong>nkbar. Zu viel Dunkelheit liegt auf<br />
unserem Volk. Nur die wenigen vom Geist erhellten Köpfe können bei uns die Revolution<br />
bewirken. Und nur über geheime Verbindungen. Und weil er auf einem Geheimbund <strong>von</strong><br />
Stu<strong>de</strong>nten basiert, darum ist Alois’ Vorschlag im Kern gut, und ich unterstütze ihn.<br />
Vielleicht habt ihr recht, sagt Heinrich nach<strong>de</strong>nklich und versöhnt durch die unerwartete<br />
Zustimmung <strong>de</strong>s Professors. Ich kenne die Dunkelheit in <strong>de</strong>n Köpfen dieses Volkes, die<br />
Uneinigkeit und die Zersplitterung <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s, die Unentschlossenheit seiner Bürger ..., ja,<br />
sicher habt ihr recht. Aber ihr wer<strong>de</strong>t auch mir zustimmen, wenn ich sage: Man muss etwas<br />
wagen. Man muss einfach abspringen, vielleicht wird man sich dann selbst wun<strong>de</strong>rn, dass<br />
man plötzlich fliegen kann, aber man wird fliegen können, wenn man abzuspringen wagt.<br />
Da streckt <strong>de</strong>r Professor seine Hand über <strong>de</strong>n Tisch, Tränen stehen in seinen Augen, sie<br />
schütteln sich eine Weile die Hän<strong>de</strong>, sehen sich an dabei, Michel ist gerührt, und gleichzeitig<br />
ist es ihm peinlich, aber er weiß nicht, warum. Er <strong>de</strong>nkt auch nicht darüber nach.<br />
Um zu <strong>de</strong>m noch offenen dritten Punkt zu kommen, fährt Effenberger schließlich unbeirrt in<br />
seinem Programm fort, schlage ich vor, dass ich in Zusammenarbeit mit meinen Gießener<br />
Freun<strong>de</strong>n die Statuten unseres Geheimbun<strong>de</strong>s entwerfen und euch bei unserem nächsten<br />
Treffen - in einem Vierteljahr zur gleichen Stun<strong>de</strong> an dieser Stelle - zur Bestätigung vorlegen<br />
wer<strong>de</strong>. Eins nur lasst uns schon heute beschließen: Wir fünf bil<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Vorstand <strong>de</strong>s<br />
Bun<strong>de</strong>s, und unsere Losung sei: Deutschlands Freiheit.<br />
Deutschlands Freiheit! sagte er laut vor sich hin, <strong>de</strong>r Leutnant Michel Marten, in <strong>de</strong>r Uniform<br />
Bonapartes, in <strong>de</strong>r <strong>Bernsdorf</strong>er Kirche. Und er lachte hilflos, und es hallte wi<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r<br />
leeren Kirche, die Worte und das Lachen.<br />
Plötzlich sprang er auf und lief zur Orgel, zog die Register, griff in die Tastatur, es störte ihn<br />
nicht, dass keine Töne kamen, er hörte trotz<strong>de</strong>m, was er spielte. (Wie hieß nur dies Dorf,<br />
dachte er flüchtig, in <strong>de</strong>ssen Kirche ich nach unserer Flucht aus Erfurt auch tonlos spielte,<br />
um mich vor <strong>de</strong>r Angst zu retten?)<br />
Nur für ihn hörbar, erklang das Adagio aus <strong>de</strong>m Italienischen Konzert <strong>de</strong>s Johann Sebastian