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Das Mirakel von Bernsdorf - Demo - Buch.de

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Sie ist unzerbrechbar, hast du mir <strong>von</strong> ihr geschrieben. Da kannte ich sie noch nicht. Viel<br />

später begriff ich’s: <strong>Das</strong> war falsch. Nicht zu beugen war sie, nicht zu verbiegen. Aber wohl<br />

zu zerbrechen. Eben <strong>de</strong>shalb zu zerbrechen, Joachim. Gewiss - die Enttäuschung über die<br />

Franken. Aber doch vor allem die Unmöglichkeit, etwas zu tun, selbst etwas zu tun. Und das<br />

musste sie, ohne das konnte sie nicht leben. Sie konnte nie geschehen lassen, was<br />

geschieht ... Gewiss - sie hat mehr getan als manch an<strong>de</strong>re Frau -, sie ist <strong>de</strong>r bürgerlichen<br />

Behäbigkeit <strong>de</strong>s Magisters Vischer entflohen, sie war in Paris, sie war in Mainz, als da<br />

Geschichte gemacht wur<strong>de</strong>, sie hat geheiratet aus vermeintlicher Liebe und ihren Mann<br />

verlassen, weil er sie nicht ernst nahm und weil sie ihren Irrtum erkannte; sie hat Bil<strong>de</strong>r<br />

gemalt und ausgestellt und verkauft und in Männerkreisen über Kunst und Politik <strong>de</strong>battiert<br />

... Und nicht das ständige Gefühl <strong>de</strong>s Spießrutenlaufens hat sie zerbrochen, Joachim. Und<br />

auch nicht <strong>de</strong>ine Weigerung, mit ihr zu leben, ohne sie zu heiraten, obwohl sie das getroffen<br />

hat, <strong>de</strong>nn sie hat dich sehr geliebt. Und auch nicht <strong>de</strong>r Jammer über Bonapartes<br />

Kaiserkrönung. Son<strong>de</strong>rn das alles zusammen und dazu die Erkenntnis, dass all ihr Tun<br />

sinnlos war. Man verweigert uns das Elementarste, schrieb sie mir einmal - tätig sein zu<br />

dürfen. Niemand rechnet mit uns. Niemand nimmt uns ernst. Uns Frauen.<br />

Joachim schwieg. Mit diesem Satz, sagte er schließlich leise, i<strong>de</strong>ntifizierst du dich,<br />

Henriette? Es klingt so bitter, wie du das sagst ... Lies das <strong>Buch</strong> nicht zu En<strong>de</strong>, hörst du?<br />

Gib’s mir zurück, bitte.<br />

Sie lachte unfroh. Keine Sorge, Herr <strong>von</strong> <strong>Bernsdorf</strong>, sagte sie, bei mir ist da nichts zu<br />

befürchten. Ich bin an<strong>de</strong>rs als sie. O<strong>de</strong>r <strong>de</strong>nkst du, sie hätte jemals einen Joseph <strong>von</strong> Janke<br />

geheiratet? Ganz unmöglich, schon <strong>de</strong>r Gedanke ... Ich bin nicht jemand, <strong>de</strong>r Selbstmord<br />

verüben könnte. Ich sterbe stückweise.<br />

Er hätte ihr nun gern wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Arm um die Schulter gelegt. Aber ihre Haltung, ihr Gesicht,<br />

sogar ihr Ton verboten das.<br />

Übrigens habe ich’s nie verstan<strong>de</strong>n ...<br />

Was?<br />

Wieso du, gera<strong>de</strong> du, <strong>de</strong>n Janke heiraten konntest.<br />

Ach, was weißt <strong>de</strong>nn du, sagte sie. Was wisst ihr alle. Was wusstet ihr alle.<br />

Nun kommt er sich abgewiesen vor, natürlich. Dazu ist er zu stolz, jetzt nicht beleidigt zu<br />

sein. Also öffnet er die Terrassentür und geht hinaus, und ihm fällt erst jetzt auf, dass ein<br />

paar Schneeflocken, sehr langsam, sehr vereinzelt, aus einem trübgrauen Himmel fallen.<br />

Weiße Weihnachten, <strong>de</strong>nkt Henriette, auch das noch, Herr, hilf mir gegen die <strong>de</strong>utsche<br />

Sentimentalität. Eigentlich sind mir die Franzosen sympathischer als die Deutschen. Und<br />

mein lieber Joachim war mir lieber, als er noch nicht so <strong>de</strong>utsch tat ... Irgen<strong>de</strong>twas stimmt<br />

da wohl bei mir nicht. O<strong>de</strong>r ich begreife irgen<strong>de</strong>twas nicht. Wenn ich mit Michel Marten<br />

darüber re<strong>de</strong>n könnte ... Aber es gibt nur <strong>de</strong>n Leutnant Marten, scheint’s.<br />

<strong>Das</strong> gefällt dir also auch nicht, Henriette, dass ein Deutscher tut, als wäre er Franzose?<br />

Und Janke, und Friedrich - die allzeit treuen Diener <strong>de</strong>r französischen Besatzungsmacht?<br />

Und <strong>de</strong>r alte Herr, <strong>de</strong>r Franzosenfresser, <strong>de</strong>r aber nur Preuße sein will und nichts als das?

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