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Das Mirakel von Bernsdorf - Demo - Buch.de

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4<br />

Eine Woche nach <strong>de</strong>r Beerdigung Jakob Martens wird <strong>de</strong>r neue Schulmeister examiniert,<br />

auf <strong>de</strong>m Schloss, vom Pfarrer Kienast und einem Herrn aus Berlin. Michel war neugierig<br />

gewesen auf dieses Examen. Laut Entscheid <strong>de</strong>s seit drei Tagen anwesen<strong>de</strong>n Barons wird<br />

er nicht, wie je<strong>de</strong>rmann im Dorf glaubte - Kienast und Janke ausgenommen -, die Stelle<br />

seines Großvaters einnehmen. Noch nicht trocken hinter <strong>de</strong>n Ohren, hatte <strong>de</strong>r Baron<br />

gesagt, und infiziert, ganz sicher infiziert <strong>von</strong> Hirngespinsten <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n alten Kerle.<br />

Willst du dir das Examen anhören, Michel Marten? fragt Janke.<br />

Janke ist freundlich. Janke ist glücklich. Denn seit gestern weiß er, dass er <strong>de</strong>mnächst<br />

gea<strong>de</strong>lt wird. Joseph <strong>von</strong> Janke, wie das klingt, <strong>de</strong>nkt Michel. Michael <strong>von</strong> Marten - klingt<br />

das auch? Er muss lachen, laut. Janke sieht ihn befrem<strong>de</strong>t an, schnell nimmt er sich<br />

zusammen, nickt auf die Frage und geht ihm nach, die Treppe hinunter, ins Arbeitszimmer<br />

<strong>de</strong>s Barons, drückt sich in die hinterste Ecke. Der Baron thront hinter <strong>de</strong>m eichenen<br />

Schreibtisch, flankiert heute nicht <strong>von</strong> <strong>de</strong>n englischen Settern, son<strong>de</strong>rn <strong>von</strong> Emanuel Kienast<br />

und diesem Herrn aus Berlin, einem fülligen alten Mann mit gewaltiger Perücke und Kneifer.<br />

Alle drei machen einen schläfrigen Eindruck.<br />

Janke setzt sich neben Kienast, er weiß nicht recht, wohin mit seinen Füßen, wickelt sie<br />

umeinan<strong>de</strong>r. Muss sie aber gleich wie<strong>de</strong>r auseinan<strong>de</strong>r wickeln, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Baron be<strong>de</strong>utet<br />

ihm, <strong>de</strong>n Examinan<strong>de</strong>n hereinzuführen.<br />

Und nun Johannes Rietz, stelzfüßig, schon angegraut.<br />

Der Baron re<strong>de</strong>t jovial-herablassend mit ihm: Nenne Er uns Name, Stand, Alter, Beruf und<br />

so fort, sagt er.<br />

Johannes Rietz nickt, sagt dann, langsam und schwerfällig an <strong>de</strong>n Worten kauend: Bin<br />

Rietz-Johannes, <strong>de</strong>m Rietz-Karl aus Jüterbog sein Sohn, <strong>de</strong>r ein Schnei<strong>de</strong>r war, Gott hab<br />

ihn selig, hab auch das Schnei<strong>de</strong>rn gelernt, in jungen Jahren, bin jetzt zweiundfünfzig, war<br />

Soldat <strong>de</strong>s Großen Königs, lange, Feldwebel, tat auch Schreibstubendienst, ging als Kind<br />

drei Jahre in eine Schule, war auch <strong>de</strong>m Herrn Baron <strong>von</strong> <strong>Bernsdorf</strong> sein Bursche, bis zur<br />

Blessur in Polen, wo ich ein Bein verlor, bin aber nicht dran gestorben, ja.<br />

Der Herr aus Berlin räuspert sich, gut, gut, sagt er, kommen wir zur Sache, welchen<br />

Glaubens ist Er?<br />

Glaubens? Nun, lutherisch wohl, sagt Rietz.<br />

Wohl? Will Er sagen, Er weiß es nicht genau? <strong>Das</strong> fragt Pfarrer Kienast, und mit scharfer<br />

Stimme.<br />

Unzufrie<strong>de</strong>n knurrt <strong>de</strong>r Baron: Natürlich lutherisch, verbürg mich.<br />

Verbeugung <strong>de</strong>s sitzen<strong>de</strong>n Herrn aus Berlin gegen <strong>de</strong>n Baron. Dann lässt er sich hersagen,<br />

wobei er <strong>de</strong>n Prüfling durch seinen Kneifer mustert: <strong>Das</strong> Vaterunser. Die Zehn Gebote mit<br />

<strong>de</strong>n Erläuterungen unseres Herrn Martin Luther. <strong>Das</strong> Glaubensbekenntnis. Die Bücher <strong>de</strong>s<br />

Alten und <strong>de</strong>s Neuen Testaments.<br />

Der Prüfling macht, sieht man <strong>von</strong> einem gewissen ausdruckslosen Tonfall ab, einen guten

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