Das Mirakel von Bernsdorf - Demo - Buch.de
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Henriette zuckte zusammen, als Joachim ihr <strong>de</strong>n Arm um die Schultern legte. Wo warst du?<br />
fragte er leise.<br />
Sie lächelte schwach. Weit fort, sagte sie. Diese ewige Sehnsucht nach rückwärts. Man<br />
darf ihr wohl nicht nachgeben. Sie ist sicher gefährlich ...<br />
Ich weiß nicht, sagte er nach<strong>de</strong>nklich. Vielleicht ist sie gut? Wie schön und groß und<br />
wohlgeordnet war das <strong>de</strong>utsche Reich unter einem Friedrich Barbarossa, Henriette.<br />
Vielleicht ist es gut, sich danach zu sehnen?<br />
Sie sah ihn verständnislos an. Nun re<strong>de</strong>n sogar wir bei<strong>de</strong> aneinan<strong>de</strong>r vorbei, dachte sie<br />
traurig.<br />
Katholisch müsste man wer<strong>de</strong>n, sagte er scheinbar ohne Zusammenhang.<br />
Bist du verrückt? rief sie erschrocken.<br />
Wieso verrückt, Henriette?<br />
Da klopfte es. Ta<strong>de</strong>usz Piotrowski steckte seinen grauen Kopf vorsichtig zur Tür herein.<br />
Zwei französische Offiziere, wenn’s gestattet ist, sagte er, leicht stotternd vor Aufregung,<br />
sie sind vor Kurzem eingetroffen, als Ersatz für diesen ertrunkenen Leutnant, wollen <strong>de</strong>n<br />
gnädigen Herrschaften ihre Aufwartung machen, wenn’s gestattet ist, wollen sich<br />
anscheinend auch hier einquartieren, wenn’s gestattet ist.<br />
Aber wer hat hier zu gestatten, ist wohl die Frage ...<br />
Je<strong>de</strong>nfalls dachte Michel Marten das, als er nun hinter Jean-Pierre ins Zimmer trat. Die<br />
Herrschaften gestatten? fragte Jean-Pierre freundlich und in vorschriftsmäßiger Haltung,<br />
Leutnant Carnette, Leutnant Marten (er spricht Michels Namen französisch aus), <strong>de</strong>r<br />
Einquartierung in <strong>Bernsdorf</strong> zubeor<strong>de</strong>rt, man wird uns doch im Schloss beherbergen?<br />
Sein breiter Rücken ver<strong>de</strong>ckt mich fast ganz, dachte Michel, das ist gut. Dazu diese<br />
Dämmerbeleuchtung. Wie eilfertig Friedrich aufgesprungen ist und sich vorstellt mit<br />
sämtlichen Titeln und Ämtern (Baron Friedrich <strong>von</strong> <strong>Bernsdorf</strong>, Geheimer Oberfinanzrat,<br />
königlicher Kabinettsminister, zurzeit beurlaubt), weit hat er’s gebracht, fürwahr, aber wie<br />
seine Augen flackern, wie unsicher er ist ... Und so sieht also Joseph Janke heute aus. Von<br />
Janke, bitte. Hofrat, Kabinettssekretär. Auch zurzeit beurlaubt. <strong>Das</strong> kupferbraune Haar<br />
gelichtet. (Die alte Perücke wird er jetzt praktisch fin<strong>de</strong>n und wird ihr nachtrauern. Aber man<br />
geht mit <strong>de</strong>r Zeit, wenn man <strong>von</strong> Janke heißt.) Und feist ist er gewor<strong>de</strong>n. Beflissenheit in<br />
allen Knopflöchern. Und in <strong>de</strong>n Augen, vor allem in <strong>de</strong>n Augen. Groß und rund und blau, wie<br />
sie sind, erinnern sie am ehesten an Knöpfe, immer noch. Als ich diese Knöpfe zum ersten<br />
Mal dicht vor mir hatte (war das ein Schreck, das kalte Wasser, ich hatte so schön<br />
geträumt auf meinem Baumstamm), da schienen sie mir vertrauenerweckend. Da war<br />
etwas Bekanntes in ihnen. Wie lange das her ist ...<br />
Er hat mich ebenso wenig erkannt wie Friedrich. O<strong>de</strong>r tun sie nur so? Der Baron steht nicht<br />
einmal auf. Natürlich. Verbirgt auch nicht die Feindseligkeit, sie steht ihm im Gesicht<br />
geschrieben. Gut, also unterlassen wir die Begrüßung. Nur zwei hatten es eilig damit. Aber