Das Mirakel von Bernsdorf - Demo - Buch.de
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Und da, sich noch immer wehrend, schlug sie die Augen auf und war nicht überrascht,<br />
Janke über sich zu sehen.<br />
Du schläfst aber fest, sagte er. Die Suhrbiers sind gekommen.<br />
Da weint doch ein Kind?<br />
Ja, natürlich. Herrmanns Tochter, Susannas Luise ist das. Andreas ist auch da, lei<strong>de</strong>r. Na,<br />
komm schon.<br />
Jaja, nicht so eilig. Geh schon, ich komm gleich.<br />
Als er aus <strong>de</strong>m Zimmer war, stand sie schnell auf und holte ihre Briefmappe. Diesen Brief<br />
muss ich rasch lesen, dachte sie, <strong>de</strong>n ich im Traum eben nicht entziffern konnte. „Mainz,<br />
November 1792.“ Da war ich aber noch gar nicht in Berlin. Kannte auch Marianne noch<br />
nicht. Und <strong>de</strong>n Wilhelm gab es noch nicht. Diesen Brief hatte Ta<strong>de</strong>usz vor <strong>de</strong>m Baron<br />
gerettet. Aber es war <strong>de</strong>r, <strong>de</strong>n ich eben im Traum in <strong>de</strong>r Hand hatte.<br />
„Ich schreibe in <strong>de</strong>r Hoffnung, liebe Henriette, dass Dich dieser Brief erreicht und nicht das<br />
Schicksal <strong>de</strong>r vorigen teilt.<br />
<strong>Das</strong>s <strong>de</strong>r alte Herr Dir meine Briefe vorenthält, ist das einzige, was mich an <strong>de</strong>r väterlichen<br />
Verdammung aufbringt. Im übrigen kümmert mich diese sogenannte Enterbung ebenso<br />
wenig wie meine adlige Abkunft. Warum hätte ich nicht meinen vollen Namen unter dies<br />
Revolutionsgedicht setzen sollen? Der A<strong>de</strong>l ist nur ein notwendiger Stand, wenn er adlig<br />
han<strong>de</strong>lt, mir fehlt jeglicher Familienstolz, und ich halte das alles für eine zwecklose,<br />
wi<strong>de</strong>rsinnige Erscheinung. Um so weniger begreife ich, warum Du einen Herrn <strong>von</strong> Janke<br />
ehelichen konntest, und hättest doch einen Michel Marten haben können - er wäre gewiss<br />
zurückgekommen, Du hättest nur <strong>de</strong>r Familie <strong>de</strong>n Rücken kehren müssen. Hattest Du davor<br />
<strong>de</strong>nn Scheu? Und er ist einer <strong>de</strong>r ehrlichsten Menschen, die ich kenne, und noch dazu ein<br />
ganz be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>r Orgelvirtuose, auch wenn das niemand weiß und er nicht <strong>de</strong>n Ehrgeiz<br />
hat, es bekannt zu machen. Aber Du musst wissen, was Du tust, es soll <strong>de</strong>swegen keine<br />
Fremdheit zwischen uns entstehen.<br />
Die verbrannten Briefe waren voll <strong>von</strong> meinem Jammer; heute kann ich über all das ruhiger<br />
schreiben, und so hatte <strong>de</strong>r Scheiterhaufen auch sein Gutes. Nicht mich hat die Marianne<br />
Vischer erwählt, son<strong>de</strong>rn einen Magister Hauschildt, <strong>de</strong>n ich für einen sehr<br />
durchschnittlichen Menschen halte. Und ich war in Verzweiflung. <strong>Das</strong>s sie diesen Mann dann<br />
schon nach einem halben Jahr verlassen hat, be<strong>de</strong>utete mir keine Hoffnung. Da zu dieser<br />
Zeit auch Schillers Vorlesungen seiner Krankheit wegen aufhörten, war mir Jena verlei<strong>de</strong>t.<br />
Andreas Suhrbier bere<strong>de</strong>te mich, mit ihm nach Paris zu gehen, und wohin sollte man sich<br />
sonst heutzutage wen<strong>de</strong>n, wenn nicht nach Paris? Freilich fand ich mich hier in meinen<br />
Erwartungen arg getäuscht, doch da<strong>von</strong> heute nichts. Der drohen<strong>de</strong> Krieg gegen die<br />
Franken zog uns sehr schnell wie<strong>de</strong>r zurück; wir waren <strong>de</strong>r lächerlichen Meinung, wir<br />
könnten in Deutschland etwas tun, um ihn zu verhin<strong>de</strong>rn. Natürlich war das ein Vorhaben,<br />
das unsere Kräfte überstieg; unsere Flugschriften, unsere Zeitung - das alles hat gewiss<br />
recht wenig bewirkt. Und vielleicht war dieser Krieg auch sinnvoll und notwendig, Henriette,