Das Mirakel von Bernsdorf - Demo - Buch.de

Nicht jeden von Kienasts Sätzen versteht er.
Dass aus Paris das Unheil kommen wird, scheint mir einleuchtend, sagt Emanuel Kienast.
Es war ein Kardinalfehler des französischen Königs, die Generalstände einzuberufen. Die
Entlassung Neckers ..., die Rührigkeit dieser Freimaurer in aller Welt, auch bei uns, und
besonders in Paris ... und vor allem, seit sie in Amerika ..., bezeichnend auch der Hinweis
auf die Apokalypse, leuchtet Ihnen das ein, Janke? Nur - was soll Ikarus? Diese
Ballonfahrten des Franzosen vielleicht ... oder symbolisch, gewissermaßen ..., ich werde es
noch genauer ...
Sie entfernen sich, auf dem Weg zum See wandern sie, Michel bleibt zurück, ist sich seines
maßlosen Zornes nun ebenso bewusst wie dieses Hassgefühls, und Sätze seiner beiden
Großväter kommen ihm in den Sinn, die er bislang bewusst ignoriert hat, absichtlich
vergessen.
Bald nach dem Tod König Friedrichs hatte Janke diesen Emanuel Kienast von einer seiner
Breslaufahrten mitgebracht, um ihn der Baronin vorzustellen, seitdem war Kienast häufiger
G st auf dem Schloss. Und eines Abends wurden Jakob Marten und Mathias Schulz aufs
Schloss befohlen, zu einem „Disput über Glauben und Lehre“.
Hellwach und mit fest geschlossenen Augen lag Michel Marten in seinem Bett, als sie
zurückkamen. Müde und niedergeschlagen saßen sie auf der Ofenbank, schwiegen lange,
seufzten vor sich hin.
Dann sagte Jakob Marten: So ist das nun, Mathias. Das ist das Ende der Geistesfreiheit in
Preußen. Mit Männern dieses Schlages umgibt sich dieser König. Kienasts Bruder ist ein
Vertrauter des Herrn Wöllner ... Wo sie nur plötzlich alle herkommen, diese Leute?
Dieser jedenfalls kommt aus Breslau, sagte Schulz. Und Hohn und Hass in der Stimme: Wo
sie herkommen, Jakob? Das Ungeziefer kriecht aus allen Ritzen. Ein verkappter Jesuit ist
dieser Kienast. So etwas rieche ich wie der Teufel das Weihwasser, Jakob.
Du sollst dich aber vorsehen, Mathias, sagte Jakob Marten. Wenn du immer so reden willst
wie heute Abend ..., diese Leute haben nun schließlich die Macht, Mathias.
Ja, sagte Schulz.
Ja - na und? sagte Schulz.
Ich habe nichts mehr zu verlieren, sagte Schulz. Und auch wenn ich noch etwas zu verlieren
hätte, ja, der Michel, ich weiß - trotzdem, Jakob, es geht nicht. Es gibt da eine Grenze.
Unsere Ideale sind nichts wert gewesen, wenn wir jetzt nichts anderes fertigbringen, als
ihnen einen Grabgesang nachzuschicken.
Ja, sagte Jakob Marten. Aber es war ein leises, zaghaftes Ja, ein hilfloses, wehrloses.
Ein verkappter Jesuit, wiederholt Michel sich nun erbittert und starrt die Bäume an,
zwischen denen Kienast und Janke verschwunden sind. Aber du wolltest es nicht
wahrhaben: Erst hat dich ihr Theater geblendet, die Geisterbeschwörung, der
Goldmacherrausch, dann hast du auf den Stein der Weisen gesetzt, auf die endgültige,
absolute Wahrheit - Herrgott, Michel Marten, ausgerechnet diese Leute sollten aus