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Das Mirakel von Bernsdorf - Demo - Buch.de

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zwei Maulwürfe. Was hattest du eigentlich an<strong>de</strong>res erwartet, Michel Marten? Was an<strong>de</strong>res<br />

als dies verlegene, feindselige o<strong>de</strong>r unterwürfige Schweigen? Offene Arme? Freundschaft?<br />

Hoffnung? <strong>Das</strong> alles hast du auch im übrigen Preußen vergebens gesucht, Michel Marten.<br />

Er stand noch immer im Schatten <strong>de</strong>s breitschultrigen Jean-Pierre, er hatte Henriette noch<br />

gar nicht gesehen, die ihn hier am meisten anging.<br />

Dafür sah er nun Joachim. Denn <strong>de</strong>r warf plötzlich die Erstarrung <strong>von</strong> sich, die ihn bei<br />

Piotrowskis Ankündigung befallen hatte, straffte sich, stand auf, ging auf die Tür zu, das<br />

Gesicht eine gefrorene Maske.<br />

Sein Blick streifte Michel Marten. Sie sahen sich sekun<strong>de</strong>nlang in die Augen. <strong>Das</strong>s ein<br />

Gesicht sich so schnell verän<strong>de</strong>rn kann, dachte Michel, so plötzlich aufbrechen: ungläubiges<br />

Erstaunen, Erschütterung über unerwartetes Wie<strong>de</strong>rsehen, Freu<strong>de</strong> und sogar Hoffnung,<br />

bei<strong>de</strong>s aber sofort ausgelöscht durch Abwehr und Enttäuschung ...<br />

Einen Moment nur hatte Joachim gezögert, dann ging er weiter, quer durchs Zimmer, zur<br />

Tür, als liefe er auf einer ihm vorgeschriebenen, nur ihm sichtbaren Bahn. Außer Michel und<br />

Henriette hatte niemand sein Zögern bemerkt. Noch sein Rücken re<strong>de</strong>te <strong>von</strong> Stolz und<br />

Ablehnung.<br />

Da geriet Dorothea in Bewegung. Hieß die unwillkommenen Gäste herzlich willkommen. Die<br />

Weihnachtsbotschaft vom Frie<strong>de</strong>n auf Er<strong>de</strong>n - wie<strong>de</strong>r einmal. Und dazwischen ein Ruf an<br />

Joachim, <strong>de</strong>r gera<strong>de</strong> noch zur rechten Zeit kam: Joachim konnte seinen Gang zur Tür<br />

ummo<strong>de</strong>ln in einen Gang zum dort stehen<strong>de</strong>n Sessel, und das war ihm nicht unlieb, die<br />

Begegnung mit <strong>de</strong>m einstigen Freund hatte seine Sicherheit erschüttert. Michel Marten bei<br />

<strong>de</strong>n Franzosen, dachte er, aber was <strong>de</strong>nn, wo sollte Michel Marten eigentlich sonst sein,<br />

wenn nicht bei <strong>de</strong>n Franzosen? Und er stellte sich vor, wie sie im Park gesessen hatten,<br />

versteckt im Gebüsch, Schillers „Räuber“ lesend, wie sie glühten vor Begeisterung. Und<br />

gera<strong>de</strong>, als sie Henriette holen wollten, um sie die Amalia lesen zu lassen, kam Herrmann<br />

nach Hause und erzählte vom Ausbruch <strong>de</strong>r Revolution in Paris. Herrgott, sind sie<br />

umhergesprungen, haben Schiller zitiert und Schubart, sind wie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Park gelaufen, in<br />

ihr Versteck gekrochen und haben geschworen, mit Blut: ewige Freundschaft gegenseitig,<br />

ewige Freundschaft <strong>de</strong>n mutigen Franken, Tod allen Tyrannen ... Wie die Kin<strong>de</strong>r waren sie.<br />

- Ist er <strong>de</strong>nn ein Kind geblieben, dieser Michel Marten? Meint er <strong>de</strong>nn, was sie als<br />

Siebzehnjährige schworen, damit könne man heute noch leben? Wo sind die Franken <strong>von</strong><br />

damals? Was ist aus ihren I<strong>de</strong>alen gewor<strong>de</strong>n?<br />

Joachim hatte sich in <strong>de</strong>n Sessel fallen lassen, trommelte mit <strong>de</strong>n Fingern einen punktierten<br />

Rhythmus auf die Knie, sah finster in die flackern<strong>de</strong>n, fast herabgebrannten Kerzen, hörte<br />

nicht zu, was um ihn hergere<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>. Denn gere<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong> nun. Über das Wetter: <strong>Das</strong>s<br />

es Schnee geben könnte zum Fest. Über die politische Lage: <strong>Das</strong>s <strong>de</strong>r Tilsiter Frie<strong>de</strong>n ein<br />

Segen für die Menschheit sei, dass die französischen Truppen das preußische Königreich<br />

bald räumen wür<strong>de</strong>n, mit Ausnahme <strong>de</strong>r Festungen natürlich. Janke, Friedrich und Jean-<br />

Pierre bestritten das Gespräch.<br />

Die Frauen hatten sich abseits gesetzt, an <strong>de</strong>n grünen Kachelofen, Henriette sah<br />

unverwandt <strong>de</strong>n schweigen<strong>de</strong>n blon<strong>de</strong>n Franzosen an, <strong>de</strong>r sie in Aufruhr versetzt hatte, als

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