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Das Mirakel von Bernsdorf - Demo - Buch.de

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Mit je<strong>de</strong>m Schritt nähern sie sich auch Heinrich Marten. Doch das wissen sie nicht. Und sie<br />

sind schon mehrere Tage in Paris, als sie auf seine Spur stoßen. Und gleich darauf auf ihn<br />

selbst. Hockt da in einer Dachkammer <strong>de</strong>s Tischlermeisters Carnette, schreibt einen Brief<br />

nach <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren an verschie<strong>de</strong>ne Konventsmitglie<strong>de</strong>r, alle Briefe beginnen mit<br />

„Verehrungswürdiger, braver Verteidiger <strong>de</strong>r Menschenrechte“ und en<strong>de</strong>n mit „Gruß und<br />

Achtung <strong>de</strong>n republikanischen Prinzipien, für ihre Verbreitung in <strong>de</strong>r ganzen Welt. Henri<br />

Marten“. Und dazwischen steht geschrieben, dass er, Heinrich Marten, ein System <strong>de</strong>r<br />

Erziehung und Bildung entworfen habe, das einzig in einem Land wie Frankreich, in einer<br />

freien Republik, zu verwirklichen sei, das er <strong>de</strong>m Konvent vor Längerem zur Prüfung<br />

überreicht habe, ohne bisher eine Antwort erhalten zu haben, weshalb er <strong>de</strong>n Citoyen<br />

freimütig bitte ...<br />

Hast du schon viele Briefe geschrieben, Heinrich?<br />

Ja, viele, Andreas.<br />

Und warum antwortet niemand?<br />

Ja, warum. Als hätte er sich das nicht schon selbst gefragt. Was stört Robespierre und<br />

seine Leute an meinem Erziehungsplan? hat er sich gefragt. Er weiß lange um die<br />

Sinnlosigkeit seiner Briefe. Frankreich wird seine I<strong>de</strong>en nicht verwirklichen. Sie riechen nach<br />

Jaques Roux - nach Angriff auf das Eigentum. Riechen? Als hätte er es nicht klar<br />

ausgesprochen: Gemeineigentum ist die Voraussetzung für gleiche, freie Erziehung und<br />

Bildung. Und dann - wie sollten die Jakobiner jetzt Zeit für Erziehung und Bildung haben,<br />

wenn es innen und außen brennt - die Vendée im Aufstand, an <strong>de</strong>r Front verräterische<br />

Generale, die Gefängnisse voller Verräter o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Verrats Verdächtiger, die Front weicht<br />

zurück, Mainz ist gefallen, <strong>de</strong>n Preußen in die Hän<strong>de</strong> gefallen, Gna<strong>de</strong> Gott unseren<br />

Klubisten - was will da jetzt dieser Henri Marten, mon dieu ...<br />

Ja, das weiß er, das sieht er ein. Aber er schreibt seine Briefe, es zwingt ihn etwas,<br />

hungernd und übermü<strong>de</strong>t in <strong>de</strong>r Dachkammer <strong>de</strong>s Tischlers Carnette zu sitzen und<br />

irgendwelcher Kin<strong>de</strong>r wegen Briefe zu schreiben. Sodass <strong>de</strong>r brave Citoyen und Jakobiner<br />

Carnette - Mitglied <strong>de</strong>r Pariser Stadtverwaltung, Vater <strong>de</strong>s Freiwilligen Jean-Pierre<br />

Carnette - an seinem Verstand zweifelt und das <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Besuchern auch unumwun<strong>de</strong>n<br />

sagt, die nach <strong>de</strong>m Heinrich Marten gefragt haben: Henri Marten? Oui, Oui. Aber ich weiß<br />

nicht, weiß nicht, Citoyens ..., glaube fast, mit <strong>de</strong>m stimmt’s nicht so ganz ..., sacré mer<strong>de</strong>,<br />

ist sonst ein guter Kerl und ein tapferer Draufgänger, war beim Maiaufstand dabei, als wir<br />

<strong>de</strong>n Konvent stürmten und die Giron<strong>de</strong> zum Teufel jagten, jaja!<br />

Nun sitzen sie auf seiner wackligen Holzpritsche, Andreas und Michel. Heinrich Marten steht<br />

gegen das Fensterkreuz gelehnt, berührt mit <strong>de</strong>m Kopf fast die niedrige Decke <strong>de</strong>r<br />

Kammer, er ist hager und bleich, unrasiert, seine schwarzen Augen liegen tief in <strong>de</strong>n Höhlen<br />

und flackern unruhig.<br />

Michel hat nicht Vater gesagt, wie er es wohl vorgehabt hatte. Denn Heinrich hatte ihn<br />

forschend, beinahe feindselig betrachtet und gesagt: Also, du bist <strong>de</strong>r Michel? Deiner<br />

Mutter ähnelst du nicht. Aber darauf kommt es nicht an.

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