Das Mirakel von Bernsdorf - Demo - Buch.de
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Der Baron? Ja gewiss, <strong>de</strong>r. Aber was weiß <strong>de</strong>r schon.<br />
Dorothea <strong>de</strong>nkt an <strong>de</strong>n Abend dieses Johannistages, und sie <strong>de</strong>nkt nicht gern an ihn.<br />
Er bestand auf seinem „Recht“. Nahm es wahr, mit allen Zeremonien, wie üblich: <strong>Das</strong><br />
Hochzeitsgeschenk, <strong>von</strong> ihm persönlich überreicht - Wäsche und Geschirr. <strong>Das</strong> Aben<strong>de</strong>ssen<br />
im Schulhaus. Er nimmt das beklemmen<strong>de</strong> Schweigen <strong>de</strong>r Hochzeitsgesellschaft nicht zur<br />
Kenntnis, macht <strong>de</strong>rbe Witze, über die kaum gelacht wird, Bier wird getrunken, mehr als<br />
nötig, mehr als gut, <strong>de</strong>r erste Tanz: Baron und Braut, <strong>de</strong>r letzte Tanz: Baron und Braut,<br />
dann führt er die Braut in die neue Wohnung, in die Kammer im Gesin<strong>de</strong>haus also, sein<br />
Knotenstock bleibt vor <strong>de</strong>r Tür stehen: Besetztzeichen.<br />
All das ist bekannt - <strong>de</strong>m Dorf. Nicht <strong>de</strong>m Heinrich Marten.<br />
Und es ist üblich - normal also. Nicht für Heinrich Marten.<br />
Aber was tun, Heinrich Marten? Mit <strong>de</strong>m Knotenstock, <strong>de</strong>m stehen gebliebenen, gegen die<br />
verschlossene Tür schlagen? An <strong>de</strong>r Klinke rütteln? Mit <strong>de</strong>m Kopf gegen die Tür fallen,<br />
wie<strong>de</strong>r und wie<strong>de</strong>r? Gewiss, das alles kann man tun, das tut er, doch was än<strong>de</strong>rt das?<br />
Du kannst nicht mit <strong>de</strong>m Kopf durch die Wand, Heinrich. So <strong>de</strong>r alte Jakob Marten, <strong>de</strong>r ihm<br />
nachgegangen ist. Von Schulz weit und breit nichts zu sehen.<br />
Was ist mit Freiheit <strong>de</strong>r Persönlichkeit, mit Menschenrecht und Menschenwür<strong>de</strong>, Vater?<br />
Seid ihr alle Lügner, ihr Maurer?<br />
Die Tür bleibt verschlossen, Stun<strong>de</strong> um Stun<strong>de</strong>.<br />
Sie wird bis morgen früh verschlossen sein, Heinrich.<br />
Er sieht auf - Dorothea re<strong>de</strong>t zu ihm. Jakob Marten ist gegangen, hat sich auf die Suche<br />
nach Freund Schulz gemacht, <strong>von</strong> Unruhe und Ahnungen getrieben. (Fand ihn am See,<br />
verzweifelt ins Wasser starrend, brachte ihn nach Hause.)<br />
Heinrich sieht die Herrin an, die Frau dieses Barons. Er will sie hassen, wie er ihn hasst.<br />
Aber er fin<strong>de</strong>t in ihren Augen <strong>de</strong>n eigenen Jammer, seine eigene Demütigung, mehr noch:<br />
nicht Mitleid - dann hätte er sie vielleicht hassen können -, son<strong>de</strong>rn Liebe. Er will kalt<br />
bleiben, aber er kann sich nicht selbst belügen, das konnte er noch nie. Und er gesteht sich<br />
ein, dass ihr Blick ihn anrührt, empfin<strong>de</strong>t Mitleid mit ihr und sogar Zärtlichkeit. So lässt er<br />
sich wegführen <strong>von</strong> dieser Tür, ohne zu begreifen, wohin sie ihn bringt. Erst in ihrem<br />
Schlafzimmer kommt er zu sich. Entsetzt sieht er sich um, will fortlaufen, sie hält ihn zurück.<br />
Warum rächst du dich jetzt nicht an ihm, Heinrich Marten, sagt sie leise, bittend sogar. Sie<br />
erschrickt vor seinem Gesicht, er sieht sie wild und voll Verachtung an, aber er bleibt.<br />
Er weiß, ein paar Stun<strong>de</strong>n später, nicht recht, ob es Befriedigung über die gelungene Rache<br />
o<strong>de</strong>r Scham über sich selbst ist, das ihn durch <strong>de</strong>n Park treibt, wegauf, wegab, zum See<br />
hinunter, zum Schloss zurück, immerfort im Kreis. Plötzlich bleibt er stehen. Ein Satz ist ihm<br />
gelungen, endlich, <strong>de</strong>r Satz, mit <strong>de</strong>m er die Zeitschrift einleiten will, die er - alter Traum -<br />
irgendwann herausgeben wird. Am nächsten Tag, bevor er <strong>Bernsdorf</strong> für immer verlässt,<br />
sagt er ihn Dorothea: „Die Privilegien, welcher Art sie auch immer sein mögen und wer sie<br />
sich auch immer anmaßt - sie sind es, die <strong>de</strong>n Menschen zum Tier herabwürdigen, und