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Das Mirakel von Bernsdorf - Demo - Buch.de

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Vom Revolutionsfieber sind hier alle erfasst, namentlich die Stu<strong>de</strong>nten, doch auch einige <strong>de</strong>r<br />

Professoren. Selbstverständlich hängt auch <strong>de</strong>r Magister Vischer <strong>de</strong>n Franken an, und die<br />

Marianne. Ich erfahre so beim Mittagstisch je<strong>de</strong> Neuigkeit, die aus Paris gekommen ist.<br />

Mirabeau wird allenthalben bewun<strong>de</strong>rt und verehrt, Lafayette nicht min<strong>de</strong>r. Die fränkische<br />

Revolution ist gewiss die größte Begebenheit aller Jahrhun<strong>de</strong>rte, und ich möchte <strong>de</strong>n<br />

Menschen nicht zum Freund haben, <strong>de</strong>r bei so viel Hoffnung, wie auch uns nun aus<br />

Frankreich kommt, kalt bleiben kann.“<br />

„Und wie sieht sie <strong>de</strong>nn aus, Deine Marianne? Es ist nicht Deine? Doch, doch, das fühl ich,<br />

Joachim. Dich muss man lieben, und wenn sie die ist, <strong>von</strong> <strong>de</strong>r Du schreibst, wenn sie es<br />

wert ist, dass Du so <strong>von</strong> ihr schreibst - dann wird sie Dich lieben müssen. Ich möchte sie<br />

auch lieben, tu’s schon, ohne sie noch zu kennen; schreib mir nur, wenn sie wie<strong>de</strong>r in Berlin<br />

ist, ich will sie dann sehen! Aber ich wer<strong>de</strong> wohl klein und dumm sein gegen sie. Was ist<br />

zum Exempel mit <strong>de</strong>m Imanuel Kant? Schreib mir <strong>von</strong> ihm, wer sagt mir sonst etwas<br />

darüber? Auch <strong>de</strong>r Michel möchte es wissen. Ich zeige ihm Deine Briefe alle und lass ihn<br />

auch lesen, was ich Dir schreibe, so sind es immer unsere Briefe, die an Dich abgehen. -<br />

Herrmann war für ein paar Tage hier; erst waren wir uns sehr fremd, wir sehen uns zu<br />

selten, doch dann wur<strong>de</strong>n wir schnell vertraut. Er wusste einiges aus Frankreich zu<br />

berichten, er hat viele Sympathien für die Franken, wenn auch nichts <strong>von</strong> unserem<br />

vorbehaltlosen Enthusiasmus. <strong>Das</strong>s <strong>von</strong> einem Bündnis Preußens mit Österreich gegen die<br />

Franken gere<strong>de</strong>t wird, macht ihm Sorgen. Doch er wür<strong>de</strong> in diesen Krieg ziehen, zu <strong>de</strong>m es<br />

hoffentlich nie kommen wird; gegen die Freiheit, die er doch begrüßt, wür<strong>de</strong> er fechten,<br />

Joachim! So wie er begrüßen noch an<strong>de</strong>re Offiziere diese Freiheit und wür<strong>de</strong>n doch ziehen<br />

wie er ... Seit Herrmanns Besuch ist hier bei uns Gewitterstimmung. Denn Herrmann hat in<br />

Königsberg die Tochter eines Hamburger Kaufmanns kennengelernt, ihr Vater hielt sich<br />

Geschäfte halber da auf, und unser schüchterner Herrmann, <strong>de</strong>r gewiss noch keiner Frau<br />

zu nahe gekommen ist, hat sich in dieses Mädchen verliebt, hat sich verlobt, ohne die Eltern<br />

zu fragen - man <strong>de</strong>nke! -, und will sie partout heiraten. Kannst Du Dir vorstellen, wie <strong>de</strong>r<br />

Onkel tobt? Und wie die Tante barmt? Denn mit <strong>de</strong>r Beför<strong>de</strong>rung wär’s hinfort aus, wenn er<br />

eine ,Nichtgeborene' heiratet. Aber gegen die Franken ziehen, die solche unwürdigen<br />

Bräuche abgeschafft haben, das täte er ... Er ist sich selbst nicht gut; man sah, wie er sich<br />

quält; am letzten Abend sagte er zu mir, es sei ihm ganz ernst mit <strong>de</strong>r Susanna Suhrbier, er<br />

wird sie heiraten, auch dann, wenn er <strong>de</strong>shalb enterbt wird und nie mehr beför<strong>de</strong>rt ...“<br />

„Du schriebst ,Suhrbier‘ und ,Hamburg‘, Henriette, und ich hatte das noch sehr gut in<br />

Erinnerung, als ich gestern nach <strong>de</strong>r Vorlesung <strong>de</strong>s Magisters Vischer mit einem Stu<strong>de</strong>nten<br />

ins Gespräch - besser: in Streit geriet, <strong>de</strong>r seiner Sprache nach Hamburger schien. Unser<br />

Streit dauerte lange und war hitzig, aber nicht feindlich, son<strong>de</strong>rn <strong>von</strong> <strong>de</strong>r Art, dass man sich<br />

darüber befreun<strong>de</strong>n kann. Es ging um die Philosophie Kants, die dieser Mensch nur zu<br />

einem Teil anerkennen will, nämlich da, wo sie Voltaire und Rousseau nicht wi<strong>de</strong>rspricht.<br />

Wenn Kant aber darlegt, dass das Recht <strong>de</strong>s Menschen auf Freiheit nicht abzuleiten sei aus<br />

<strong>de</strong>m Naturzustand <strong>de</strong>s Menschen, son<strong>de</strong>rn aus seinem Selbstbewusstsein, da verwirft er

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