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Das Mirakel von Bernsdorf - Demo - Buch.de

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Jetzt war sie weit entfernt <strong>von</strong> solcher Heiterkeit.<br />

Auf einen Wink <strong>de</strong>r Baronin hatte Halina die Stubentür geöffnet, sie sahen die Kin<strong>de</strong>r vor<br />

<strong>de</strong>m stelzfüßigen Kantor stehen, Henriette dachte: Zerlumpt und ausgehungert ... mitten im<br />

kalten Winter ..., und Tante wird keine Mohnstriezel verteilen und keine Geschenkpaketchen<br />

...<br />

Sie war ins Jetzt zurückgekehrt, aber diese Wirklichkeit schien ihr ein Traum zu sein, einer<br />

<strong>de</strong>r unsinnigen, quälen<strong>de</strong>n Träume, aus <strong>de</strong>nen man nicht herauszufin<strong>de</strong>n fürchtet. Sie<br />

horchte <strong>de</strong>m Holzschuhgeklapper nach, heiß vor Scham (trockene Brotstückchen in <strong>de</strong>n<br />

Hän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r); reglos auf ihrem Stuhl sitzend, ließ sie diesen Traum an sich<br />

vorbeiziehen, lieferte sich ihm aus, wehrlos, wi<strong>de</strong>rstandslos.<br />

Die Familie, <strong>von</strong> Janke ins Nebenzimmer dirigiert, „zwanglos“ gruppiert um <strong>de</strong>n Birkenbaum<br />

und <strong>de</strong>n Flügel; drei Kerzen flackern zwischen <strong>de</strong>n grünen Blättchen (drei nur, die schweren<br />

Zeiten, ja, seufzt Dorothea); unter <strong>de</strong>r Birke die Geschenke.<br />

Für je<strong>de</strong>n etwas. Kleinigkeiten nur. Die schweren Zeiten, ja.- <strong>Das</strong> war wie<strong>de</strong>r Dorothea.<br />

Und auch dies: Ein gesun<strong>de</strong>s Weihnachtsfest dann, meine Lieben, Frie<strong>de</strong>n und Eintracht,<br />

wie <strong>de</strong>r Joseph gera<strong>de</strong> so schön gesagt hat, ja. - Nun das Abgeküsse. Ich wer<strong>de</strong> aufstehen<br />

müssen. - Komm doch, meine Liebe! - <strong>Das</strong> war dieser Janke, Gott, ja - mein Mann ...<br />

Willenlos stand Henriette auf, ließ sich küssen, küsste wie<strong>de</strong>r, begriff keineswegs, was für<br />

sie dort unter <strong>de</strong>r Birke lag, was Janke ihr in die Hand drückte, welches <strong>Buch</strong> Joachim ihr<br />

zusteckte, heimlich, wie’s ihr vorkam. Küsste noch <strong>de</strong>n Onkel, <strong>de</strong>n alten Herrn, <strong>de</strong>r als<br />

einziger nicht aufgestan<strong>de</strong>n war, in seinem Lehnstuhl saß - mürrisch, aber anscheinend<br />

gerührt -, setzte sich wie<strong>de</strong>r und war immer noch nicht aufgewacht. Sie hörte Dorothea<br />

nach <strong>de</strong>m Gesin<strong>de</strong> rufen.<br />

Ein Schal für Ta<strong>de</strong>usz Piotrowski. - Danke, Frau Baronin, sagte er. Mehr nicht.<br />

Ein wollenes Tuch für Halina. - Dank auch vielmals, gnä’ Frau. - Ein getragener Rock<br />

(schwarz, noch gut erhalten) für Maria Piotrowska. Ein leises „Danke, gnä’ Frau Baronin“,<br />

kaum zu verstehen. Maria, zwanzigjährig, klein, zierlich und hell wie ihre Mutter, knickste tief<br />

vor Baron und Baronin, die Augen fest auf die Er<strong>de</strong> gerichtet; das Gesicht, gerötet, wur<strong>de</strong><br />

dunkelrot, als <strong>de</strong>r Baron ihr gnädig (lüstern, <strong>de</strong>nkt Henriette) Wangen, Hals und Nacken<br />

tätschelte.<br />

In diesem Moment warf Henriette <strong>de</strong>n Traum <strong>von</strong> sich. Erschrocken, befrem<strong>de</strong>t ent<strong>de</strong>ckte<br />

sie die Wi<strong>de</strong>rstandslosigkeit in sich, für wenige Sekun<strong>de</strong>n nur erblickte sie diesen<br />

gefährlichen Feind <strong>de</strong>r Seele, <strong>de</strong>nn solcherart Ent<strong>de</strong>ckungen haben die wun<strong>de</strong>rbare Folge,<br />

dass das Ent<strong>de</strong>ckte im Augenblick <strong>de</strong>s Erkennens sich verflüchtigt, Erinnerung wird, und<br />

Auflehnung tritt an seine Stelle.<br />

Sie stand auf und ging hinaus, wartete die „Bescherung“ <strong>von</strong> Kutscher, Köchin,<br />

Küchenmädchen, Stallmäg<strong>de</strong>n und Pfer<strong>de</strong>knechten nicht ab (die Kleinigkeiten wür<strong>de</strong>n immer<br />

kleiner wer<strong>de</strong>n), ignorierte mit verächtlichem Lächeln sowohl die erstaunten Blicke <strong>de</strong>s alten<br />

Herrn und <strong>de</strong>s Lieblingsvetters Joachim als auch die ta<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Tante, <strong>de</strong>s Ehemanns,

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