23.11.2013 Aufrufe

Das Mirakel von Bernsdorf - Demo - Buch.de

Das Mirakel von Bernsdorf - Demo - Buch.de

Das Mirakel von Bernsdorf - Demo - Buch.de

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

habe im Suhrbierschen Landhaus stattgefun<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r Dichter Klopstock sei dort aufgetreten,<br />

mit einer Hymne auf die fränkische Revolution, ja, <strong>de</strong>r Kaufmann Suhrbier ... Trotz<strong>de</strong>m<br />

verlief ich mich, verwirrt <strong>von</strong> <strong>de</strong>m Getriebe <strong>de</strong>r Großstadt, mir war ganz dumm im Kopf <strong>von</strong><br />

all <strong>de</strong>m Gere<strong>de</strong>, <strong>de</strong>n vielen Menschen, diesem fürchterlichen Häuserwald, <strong>de</strong>n rasen<strong>de</strong>n<br />

Kutschen ... Unversehens stand ich plötzlich in einem Gewirr kleiner, buckliger Gassen,<br />

zwischen niedrigen Häusern mit winzigen blin<strong>de</strong>n Scheiben, die Straßen voll Kot und Staub,<br />

die Häuser verrußt, im Rinnstein spielten kleine, unsäglich schmutzige Kin<strong>de</strong>r ... Sinnlos<br />

natürlich, hier nach <strong>de</strong>m Haus <strong>de</strong>s Großkaufmanns Suhrbier zu fragen. Da mir aber, als ich<br />

mich erschrocken umwandte, ein Mensch entgegenkam, fragte ich in meiner Verwirrung<br />

trotz<strong>de</strong>m. Der Mensch sah mich unverschämt grinsend, aber auch neugierig an, er war<br />

reichlich abgerissen, unrasiert, seine Augen lagen tief in <strong>de</strong>n Höhlen, ich behielt <strong>von</strong> seinem<br />

Gesicht nur diese großen, grün schimmern<strong>de</strong>n Augen in Erinnerung. An <strong>de</strong>nen hab ich ihn<br />

später immer wie<strong>de</strong>r erkannt. Denn ich hatte noch mehrmals mit ihm zu tun. Samuel hieß er.<br />

Suhrbier? sagte er mit seinem unverschämten Grinsen, das ist doch <strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r letzten<br />

Sommer die Flugschrift gegen unseren Aufstand verfasst hat, hä? Was für ein Aufstand?<br />

fragte ich. Gesellenaufstand, sagte er, wir schrien Freiheit, Gleichheit, Brü<strong>de</strong>rlichkeit, aber<br />

in <strong>de</strong>r Flugschrift dieses Suhrbier, da stand dann zu lesen, Freiheit ist nichts weiter als <strong>de</strong>r<br />

ungehin<strong>de</strong>rte Gebrauch <strong>de</strong>s Eigentums, <strong>de</strong>r Besitzlose hat kein Recht, an <strong>de</strong>r staatlichen<br />

Verwaltung teilzunehmen: auf die Freiheit pfeif ich seit<strong>de</strong>m, kein Meister nimmt mich mehr,<br />

immer nur Arbeit für Tagelohn im Hafen, seit einem Jahr schon, aber ... Plötzlich schwieg er<br />

misstrauisch, ließ mich stehen, verschwand um irgen<strong>de</strong>ine Ecke. Ich war ziemlich ratlos,<br />

entschloss mich dann, ihm vorerst nichts zu glauben, und suchte weiter nach <strong>de</strong>m Haus <strong>de</strong>s<br />

Suhrbier. Fand es auch endlich. Übrigens machte mir erst <strong>de</strong>r verächtliche Blick <strong>de</strong>s<br />

Dieners klar, wie ich aussah: Wie ein Vagabund. Brauchte viele Worte, um <strong>de</strong>n Diener zu<br />

bewegen, mich zu mel<strong>de</strong>n. Die Worte hätte ich mir alle sparen können, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Name<br />

Heinrich Marten war das „Sesam-öffne-dich“. Ich durfte in <strong>de</strong>r Diele warten. Es roch nach<br />

Reichtum - Plüsch, Samt, Gemäl<strong>de</strong> in Goldrahmen und so. Suhrbier gefiel mir aber. Er<br />

nahm gar keine Notiz <strong>von</strong> meinem Aussehen. Der Heinrich Marten - ja freilich, das sei <strong>de</strong>r<br />

Hauslehrer seiner Kin<strong>de</strong>r gewesen, ein guter Informator, alles was Recht ist! Aber vor<br />

Jahren schon. Denn seine Kin<strong>de</strong>r seien nun erwachsen, das müsse ich ja wissen, wenn ich<br />

aus <strong>Bernsdorf</strong> käme, Susanna wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>mnächst Frau <strong>von</strong> <strong>Bernsdorf</strong> sein, und Andreas<br />

habe in Jena studiert, sei seltsamerweise mit einem Herrn <strong>von</strong> <strong>Bernsdorf</strong> befreun<strong>de</strong>t,<br />

Zufälle gebe es im Leben! Und er wiegte sein gewaltiges Haupt. Nun sei er freilich in Paris,<br />

<strong>de</strong>r Andreas, o<strong>de</strong>r in Mainz, möglicherweise käme er auch in diesen Tagen. Er sei<br />

verstoßen, enterbt? Gott bewahre, das sei nur so eine kleine Kriegslist, damit die Susanna<br />

ihren Herrmann bekäme. Freilich, zum Besten stän<strong>de</strong> man sich mit ihm nicht, er sei zu<br />

radikal, zu unbedingt, jugendlicher Brausekopf eben.<br />

Und dann sagte er zu mir: Aber in <strong>de</strong>r Jugend ist man eben so, Sie doch gewiss auch,<br />

junger Mann? Na also, so was gibt sich mit <strong>de</strong>r Zeit, da darf man doch keine Tragödie<br />

draus machen, mit Verstoßen und Enterben, i bewahre.<br />

Er war sehr gesprächig, <strong>de</strong>r alte Suhrbier, und er re<strong>de</strong>te breit und gemütlich daher,<br />

langsam und bedächtig, seine grauen Augen blinzelten schläfrig und gutmütig - hätte man

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!