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Das Mirakel von Bernsdorf - Demo - Buch.de

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<strong>de</strong>r Altonaer Jakobinerklub, als hätte es ihn nie gegeben.<br />

Andreas war <strong>de</strong>r erste, <strong>de</strong>r vorschlug: Wir gehen wie<strong>de</strong>r nach Paris. Nur in Frankreich kann<br />

man heutzutage wirken. Robespierre ist tot, aber es gibt die französische Republik. Wir<br />

sind hier nicht mehr sicher.<br />

<strong>Das</strong> letzte mochte <strong>de</strong>r entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Grund gewesen sein. Und <strong>de</strong>r alte Suhrbier mochte<br />

auch dahinterstecken. Denn <strong>de</strong>r musste sich um diese Zeit vor <strong>de</strong>m Stadtrat verantworten<br />

seiner Beziehungen zur jakobinischen französischen Republik wegen, und er brachte viel<br />

Beredsamkeit und Geld auf, um nachzuweisen, dass er kein Jakobiner sei, auch nie<br />

gewesen und in Zukunft nie sein wer<strong>de</strong>, nicht wahr?<br />

Wie ö<strong>de</strong> und kahl dieser Fluss, sagt Heinrich. Und immer das gleiche Bild, heute wie vor<br />

Jahren, wie vor einem Jahr: ein paar Lastkähne, und die Wäscherinnen, und die Wäsche ...<br />

Sonst aber ist alles an<strong>de</strong>rs, sagt Michel. Heinrich, ist die Revolution nun zu En<strong>de</strong>?<br />

Sieh mal, <strong>de</strong>r Junge, sagt Heinrich.<br />

Auf einer <strong>de</strong>r Steintreppen, die zum Wasser hinunterführen, sitzt ein Neun- o<strong>de</strong>r<br />

Zehnjähriger, hat ein Stück Papier vor sich, das er unentwegt anstarrt, dabei rollen ihm die<br />

Tränen über das Gesicht, er wischt sie nicht fort, er kümmert sich we<strong>de</strong>r um die<br />

Wäscherin, die auf <strong>de</strong>r untersten Stufe seiner Treppe Betttücher spült, noch um die Männer<br />

hinter ihm.<br />

Lass ihn, sagt Michel.<br />

Aber wie könnte Heinrich Marten ein Kind lassen, das so wie dieses dort sitzt, lesend und<br />

weinend?<br />

Er setzt sich neben <strong>de</strong>n Jungen. Der hört nicht zu weinen auf, faltet aber nach einem<br />

schnellen Blick auf <strong>de</strong>n Mann das Papier zusammen.<br />

Ist <strong>de</strong>r Brief <strong>von</strong> <strong>de</strong>inem Vater? fragt Heinrich.<br />

Ja, sagt <strong>de</strong>r Junge, sieht Heinrich überrascht und misstrauisch an, wischt jetzt die Tränen<br />

fort.<br />

Und wo ist <strong>de</strong>in Vater?<br />

Der Junge mustert Heinrich, sein Blick ist aggressiv und unkindlich, er sagt: Denkst du, ich<br />

hab Angst vor dir?<br />

<strong>Das</strong> <strong>de</strong>nke ich nicht, sagt Heinrich.<br />

Ich weine auch nicht, weil mein Vater im Gefängnis ist, sagt <strong>de</strong>r Junge.<br />

Nein, sagt Heinrich, das wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>inem Vater auch nicht gefallen.<br />

Der Junge schluckt zwar noch, aber er weint nun nicht mehr.<br />

Nein, sagt er, das wür<strong>de</strong> ihm nicht gefallen.<br />

Und nach einer Weile, während <strong>de</strong>r sie schweigend nebeneinan<strong>de</strong>rgesessen und in <strong>de</strong>n<br />

Fluss gesehen haben: Soll ich dir <strong>de</strong>n Brief zeigen?

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