Das Mirakel von Bernsdorf - Demo - Buch.de
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Sie warfen sich auf ihre Betten, so wie sie waren, in Uniform und Stiefeln. <strong>Das</strong> Zimmer war<br />
schmal, durch das Fenster fiel die Mittagssonne. Außer <strong>de</strong>n Betten gab es nur noch einen<br />
Schrank und eine Kommo<strong>de</strong>, einen Tisch mit Stuhl.<br />
Sie kochen nicht schlecht, <strong>de</strong>ine Preußen, sagte Jean-Pierre und <strong>de</strong>hnte sich wohlig. Und<br />
<strong>de</strong>in Geschmack - alle Achtung, mein Lieber, diese Henriette ...<br />
Hör auf, sagte Michel Marten ärgerlich, was weißt du <strong>von</strong> ihr. Außer<strong>de</strong>m - damals hättest<br />
du sie sehen müssen, Bru<strong>de</strong>rherz ...<br />
Hätte ich sie damals gesehen, begriffe ich wahrscheinlich noch weniger als jetzt, wie du dir<br />
das entgehen lassen konntest, Michel Marten, sagte er, gähnte aber dabei, hatte die Augen<br />
schon geschlossen, und Michel Marten war froh, dass er nichts antworten musste. Ich hab<br />
sie mir nicht entgehen lassen, Bru<strong>de</strong>rherz, dachte er. Etwas wie Triumph erfüllte ihn bei<br />
diesem Gedanken. Aber <strong>de</strong>r Triumph hatte einen bitteren Nachgeschmack. Denn gleich<br />
dachte er: Und bin nie mehr <strong>von</strong> ihr losgekommen. Hab sie gesucht in allen Menschen, die<br />
mir über <strong>de</strong>n Weg gelaufen sind, in Männern und Frauen, und in je<strong>de</strong>m doch immer nur ein<br />
Teilchen <strong>von</strong> ihr gefun<strong>de</strong>n. Bis ich’s einsah: Es gibt sie nur einmal. Je<strong>de</strong>n <strong>von</strong> uns gibt es nur<br />
einmal. Unwie<strong>de</strong>rholbar. Aber sind da nicht auch die Austauschbaren, die sich allzu sehr<br />
angepasst haben, bis ihre Unwie<strong>de</strong>rholbarkeit verblasste wie die Farben in einem zu oft<br />
gewaschenen Kleid? Und man muss sich sehr große Mühe geben, wenn man irgendwo in<br />
ihnen noch das ent<strong>de</strong>cken will, was sie eigentlich sind - ent<strong>de</strong>cken, <strong>de</strong>nn zuge<strong>de</strong>ckt,<br />
verschüttet wur<strong>de</strong> es. Aber es ist da, irgendwo ist es auch in diesen Menschen ...<br />
So grübelte er vor sich hin, während Jean-Pierre schon gleichmäßig atmete und ein leises<br />
Schnarchen hören ließ.<br />
Wie man nur jetzt schlafen kann, dachte Michel. Er schloss die Augen, da sah er Henriettes<br />
Gesicht vor sich, hörte ihre Stimme, mit <strong>de</strong>r sie seinen Namen französisch aussprach, und<br />
plötzlich hörte er sie sagen: Nimm mich doch mit, Michel.<br />
Mein Gott, dachte er, wie lange ist das her?<br />
Er sah sich mit ihr am See sitzen, hörte sich antworten: Aber Henriette, das ist doch ganz<br />
und gar unmöglich und ist doch <strong>de</strong>in Ernst nicht, wie <strong>de</strong>nkst du dir das nur? Ich will zu Schiff<br />
die O<strong>de</strong>r hinunter, dann weiter nach Hamburg, wie willst du das machen? Komm, sieh mich<br />
nicht so an, Henriette, ich geh doch nicht aus <strong>de</strong>r Welt, ich geh endlich in die Welt, und<br />
wenn ich dort etwas gewor<strong>de</strong>n bin, dann komm ich und hol dich nach, du musst nur daran<br />
glauben, Henriette !<br />
Hast du eigentlich selbst daran geglaubt, Michel Marten? So ganz tief innen, hast du da<br />
nicht gewusst, dass dies alles fromme Lügen waren? Du gabst dir große Mühe, ihr <strong>de</strong>ine<br />
Freu<strong>de</strong> nicht zu zeigen, Freu<strong>de</strong> darüber, dass du endlich fortkamst aus <strong>Bernsdorf</strong>, hinaus in<br />
die Welt - wo war <strong>de</strong>nn die Welt? Überall, nur nicht in <strong>Bernsdorf</strong>, dachtest du ... Alles war<br />
schon mit Ta<strong>de</strong>usz abgesprochen, er wollte dich mit nach Frankfurt nehmen, wohin er in<br />
aller Frühe, halb in <strong>de</strong>r Nacht noch, zu fahren hatte. Außer Henriette und <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n<br />
Piotrowskis wusste niemand <strong>von</strong> <strong>de</strong>iner Abreise.