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Das Mirakel von Bernsdorf - Demo - Buch.de

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hat er doch aller Welt gezeigt, wie schmählich die Preußen und Österreicher vor <strong>de</strong>n freien<br />

Soldaten eines freien Volkes die Flucht ergreifen mussten. Schneller als ich es geahnt hatte,<br />

war ich wie<strong>de</strong>r <strong>von</strong> Citoyens umgeben - in Mainz erlebte ich <strong>de</strong>n Einmarsch <strong>de</strong>s<br />

Revolutionsheeres, nach<strong>de</strong>m zuvor <strong>de</strong>r Erzbischof seine Stadt feige im Stich gelassen hatte<br />

und mit all seiner Habe, gefolgt <strong>von</strong> <strong>de</strong>r gesamten vornehmen Mainzer Welt, geflüchtet war.<br />

Seit ein paar Tagen sind Andreas und Michel aus Hamburg hier, sodass ich plötzlich nicht<br />

nur in einer freien Stadt lebe, son<strong>de</strong>rn auch meine besten Freun<strong>de</strong> um mich habe - was will<br />

ich mehr? Nur ganz im Hintergrund, da hockt nach wie vor <strong>de</strong>r Jammer über meine<br />

verlorene, vergebliche Liebe, überfällt mich unversehens und schlägt mich mit maßloser<br />

Traurigkeit ...“<br />

„Ich weiß nicht, Joachim, ob eine verlorene Liebe auch eine vergebliche gewesen ist, ich<br />

glaube es nicht. Denn ich <strong>de</strong>nke, es ist ein ganz großes Glück, geliebt zu haben o<strong>de</strong>r noch<br />

zu lieben, und dies Glück ist auch dann da, wenn man nicht wie<strong>de</strong>rgeliebt o<strong>de</strong>r wenn man<br />

getrennt wur<strong>de</strong>. Ohne solchen Glauben, Joachim, wie sollte ich da als Frau <strong>von</strong> Janke<br />

leben? Soviel nur zu Deiner Verwun<strong>de</strong>rung über meine Heirat, alles an<strong>de</strong>re <strong>de</strong>nke Dir o<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>nke Dir nicht ... “<br />

Sie ordnete die Blätter wie<strong>de</strong>r sorgfältig ein und brachte dabei die im Traum<br />

durcheinan<strong>de</strong>rgeratenen Jahre in die richtige Reihenfolge: Danach kam Wilhelm, dachte sie,<br />

er schrie auch so energisch wie diese Luise, die ich mir nun gleich ansehen wer<strong>de</strong>. Und<br />

dann zogen wir nach Berlin. Und eines Tages stand Marianne vor <strong>de</strong>r Tür - Joachim habe<br />

ihr so viel <strong>von</strong> mir vorgeschwärmt, <strong>von</strong> seiner einzigartigen Cousine ...<br />

Joachim? Er hat mir aber geschrieben, dass Sie ...<br />

Was? <strong>Das</strong> ich ihm Kummer gemacht habe, ja? Ach ja, <strong>de</strong>r Gute, er hat schon recht ... Ich<br />

habe viel zu spät begriffen, dass ich ihn liebe und nieman<strong>de</strong>n sonst, Henriette ... Ich darf<br />

doch Henriette sagen?<br />

Sie bleibt ein paar Wochen. Kümmert sich nicht um Jankes eisige Zurückhaltung. Sie malt.<br />

Sie stellt Bil<strong>de</strong>r aus. Sie führt Henriette in die Dachstube <strong>de</strong>r Jägerstraße vierundfünfzig ein:<br />

bei Rahel Levin.<br />

Und sie ent<strong>de</strong>cken einan<strong>de</strong>r, Marianne und Henriette, und sie lieben sich, und sie ent<strong>de</strong>cken<br />

miteinan<strong>de</strong>r Berlin und Goethes „Lei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s jungen Werther“ und in <strong>de</strong>r „Neuen Thalia“ das<br />

Romanfragment „Hyperion“ eines gewissen Höl<strong>de</strong>rlin, Friedrich, <strong>de</strong>n erklären sie fortan zu<br />

ihrem Gott. Und eines Tages kommt wie<strong>de</strong>r ein Brief <strong>von</strong> Joachim aus Mainz, da packt<br />

Marianne Hals über Kopf ihre Koffer, verkauft ihre bei<strong>de</strong>n besten Bil<strong>de</strong>r und ist fort,<br />

unwi<strong>de</strong>rruflich, unwie<strong>de</strong>rbringlich. Ab und zu kommt ein Brief - Freundschaftsersatz;<br />

Henriette verliert <strong>von</strong> nun an nie mehr ganz ein Gefühl <strong>von</strong> Heimatlosigkeit. Briefe aus<br />

Mainz, aus Paris, aus Straßburg: heitere, glückliche, traurige, bittere. Wie<strong>de</strong>r aus Mainz,<br />

aus Jena dann dunkle Briefe, gelegentlich voll krampfhafter, unglaubwürdiger Zuversicht.<br />

Solche Sätze auch: „An <strong>de</strong>r Sache <strong>de</strong>r Franzosen verzweifeln, heißt das nicht, an <strong>de</strong>r

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