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Das Mirakel von Bernsdorf - Demo - Buch.de

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unserer Bu<strong>de</strong> in Erfurt - Hinterhof, so dunkel im Zimmer, dass man am helllichten Tag die<br />

Petroleumfunzel brennen muss, wenn man die eigene Schrift erkennen will. Wir arbeiten an<br />

<strong>de</strong>r übernächsten Nummer unseres „Neuen grünen Ungeheuers“. Mit <strong>de</strong>r fertigen<br />

kommen<strong>de</strong>n Nummer ist Heinrich - ich sagte immer Heinrich zu ihm, nie Vater - gera<strong>de</strong> auf<br />

<strong>de</strong>m Weg zu unserem Drucker. <strong>Das</strong> war ein braver, ehrlicher <strong>Buch</strong>händler, ein Patriot, ein<br />

<strong>Demo</strong>krat, <strong>de</strong>r ganz gut wusste, was er riskierte. Als er die vorige Nummer im Druck hatte -<br />

wir hatten da aufregen<strong>de</strong> Sachen geschrieben über <strong>de</strong>n Elendszug <strong>de</strong>r Mainzer Klubisten in<br />

die Erfurter Zita<strong>de</strong>lle und über die unmenschlichen Bedingungen, unter <strong>de</strong>nen die armen<br />

Leute dort leben mussten -, da war unser guter <strong>Buch</strong>händler zwischendurch zu uns gelaufen<br />

gekommen: Ob wir uns das auch gut überlegt hätten mit diesen Enthüllungen, dieser Artikel<br />

könne ihm <strong>de</strong>n Kopf kosten, <strong>de</strong>nn er müsse die Schnüffler direkt mit <strong>de</strong>r Nase auf Erfurt als<br />

Druckort stoßen. Da hat <strong>de</strong>r Heinrich zu ihm gesagt: Stell dir vor, <strong>de</strong>in Sohn läge dort in <strong>de</strong>r<br />

Zita<strong>de</strong>lle und müsste lebendig verfaulen, und dann sag: Nehmt <strong>de</strong>n Artikel raus. Dann tu<br />

ich’s. Da hat er sich geschämt, <strong>de</strong>r Alte, hat gesagt: Ist schon gut, ich druck’s. So einer war<br />

das. - Aber seit dieser Nummer, da war uns nicht mehr ganz geheuer, da fühlten wir uns<br />

wie auf einem Pulverfass sitzend. Und <strong>von</strong> unseren Freun<strong>de</strong>n in Würzburg und Wetzlar, mit<br />

<strong>de</strong>nen wir im Jahr zuvor einen Geheimbund gegrün<strong>de</strong>t hatten, Menschheitsbund nannte er<br />

sich, hatten wir schon eine ganze Weile nichts mehr gehört. Wir kamen uns vor wie allein<br />

auf einer einsamen Insel, wisst ihr, das ist ein dummes Gefühl, Pulverfass und Insel<br />

zusammen ...<br />

Wir hocken also da in unserer Kammer und arbeiten und tun, als seien wir guter Dinge und<br />

ahnen doch, dass bald etwas geschehen wird. Da stürzt Heinrich herein, bleich und<br />

schweißnass: Die Druckerei sei umstellt, sagt er, <strong>de</strong>n Alten hätten die Gendarmen<br />

abgeführt, er, Heinrich, habe sich mit Mühe und Not über Hinterhöfe bis zu uns geflüchtet,<br />

doch je<strong>de</strong>n Moment könnten die Häscher da sein, er sei nicht sicher, ob sie seine Spur<br />

tatsächlich verloren hätten. - Wir also hoch - ein paar Sachen zusammengerafft, das meiste<br />

versteckt, durch die Hintertür fort, je<strong>de</strong>r für sich aus <strong>de</strong>r Stadt hinaus, je<strong>de</strong>r durch ein<br />

an<strong>de</strong>res Tor. Wie durch ein Wun<strong>de</strong>r kamen wir alle drei unbehelligt hinaus, abends trafen<br />

wir uns, wie verabre<strong>de</strong>t, in einem Dorf im Krug. Wir glaubten uns in Sicherheit. Saßen ganz<br />

ruhig im Hinterzimmer beim Rotwein, beratschlagten, was nun anzufangen sei. Da kommt<br />

die Wirtin an unseren Tisch, eine hübsche dralle Person, aufgeregt ist sie, sieht uns<br />

forschend <strong>de</strong>r Reihe nach an, sagt: Eben sind Soldaten <strong>de</strong>s Erzbischofs rein, beschnuppern<br />

vorn alle Gäste, meinen die euch? Heinrich springt gleich auf, da wusste sie Bescheid, aber<br />

sie war in Ordnung, die Frau! Winkt uns schnell, wir sollten mitkommen, bringt uns in ein<br />

Gästezimmer, hoch oben unterm Dach, holt für je<strong>de</strong>n einen Rock, eine Bluse, ein Mie<strong>de</strong>r,<br />

Strümpfe. Bezahlt ihr mir das wenigstens, fragt sie, und wir sehen: Sie tut’s nicht nur<br />

unseretwegen, sie hat tüchtige Angst, und das Geld ist ihr auch nicht gleich. Na, wir<br />

bezahlen natürlich. Sie geht. Wir haben uns gera<strong>de</strong> in thüringische Bauernmädchen<br />

verwan<strong>de</strong>lt, da poltern sie die Treppen hoch, die Herren Soldaten, plauzen die Türen, eine<br />

nach <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren, reißen auch unsere auf, werfen einen kurzen Blick auf uns „Weiber“,<br />

gehen wie<strong>de</strong>r, fluchend. Und wir setzen uns auf die Betten. Und wischen uns <strong>de</strong>n Schweiß<br />

ab. Dauert nicht lange, da kommt unsere Frau Wirtin. Sie lächelt sogar: Wie haben wir das<br />

gemacht? Aber dann hört sie auf zu lächeln. Über Nacht behalt ich euch nicht, sagt sie. Wer

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