Das Mirakel von Bernsdorf - Demo - Buch.de
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morgen spätestens wird er da sein, die Zeiten brachten es mit sich, die Zeiten, es gibt<br />
Unbegreifliches, Eure Majestät ...<br />
Woraus ersichtlich ist, dass dieser Baron an keinen Herrgott <strong>de</strong>nkt, wenn er mit IHM re<strong>de</strong>t.<br />
Son<strong>de</strong>rn an sein Idol. An Friedrich II. Dessen „Soldatenkatechismus“ ist die Bibel dieses<br />
alten Herrn, <strong>de</strong>s Generals a. D. Wilhelm <strong>von</strong> <strong>Bernsdorf</strong>, Sieger im Siebenjährigen Krieg,<br />
wenn auch nicht einziger und hauptsächlicher Sieger, wie er manchmal glaubt.<br />
Schuldbedrückt wandte er <strong>de</strong>n Blick ab <strong>von</strong> SEINEM Bild.<br />
Die Stimmen im Zimmer waren lauter gewor<strong>de</strong>n. Bataillone zum Kampf angetreten, dachte<br />
er grimmig, <strong>de</strong>nn Friedrichs Stimme, sonst weich, wie geölt, klang schrill und hoch, zu<br />
verstehen war nichts, wird Lanze für Großen Kaiser brechen, für diesen Emporkömmling<br />
Bonaparte, dachte <strong>de</strong>r Baron, voll <strong>von</strong> Hass auf seinen Ältesten. Joachims wohltönen<strong>de</strong>r<br />
Bariton, hart jetzt, voll Lei<strong>de</strong>nschaft. Lei<strong>de</strong>r kein Soldat, dachte <strong>de</strong>r Baron. Aber<br />
Franzosenfresser. Ähnelt mir wohl am meisten. (Es ist gut, dass er das noch nie in<br />
Gegenwart <strong>von</strong> Dorothea ausgesprochen hat, seiner Frau, <strong>de</strong>r Baronin. Sie wür<strong>de</strong><br />
möglicherweise - was durchaus nicht zu ihr passt und also schwer vorstellbar ist - in<br />
schallen<strong>de</strong>s Gelächter ausbrechen.)<br />
Wo nur Herrmann bleibt, dachte er, Herrmann - da zerschlug <strong>de</strong>r Gong seine Gedanken, die<br />
Streitstimmen im Zimmer verstummten, Henriettes Lachen wie<strong>de</strong>r, ächzend stand <strong>de</strong>r alte<br />
Herr auf und ging ins Speisezimmer. Dort reckte eine Gans ihre Keulen in die<br />
bratendufterfüllte Luft, und plötzlich war sein Behagen wie<strong>de</strong>r vollständig, seine Seele<br />
ungetrübt, nichts sah er als diese knusprig-braunen Keulen.<br />
Ein beschwören<strong>de</strong>r Blick Dorotheas bannte ihn aber hinter seinen Stuhl. Schweigend, mit<br />
gefalteten Hän<strong>de</strong>n und gesenkten Köpfen, verharrten alle vor ihren Tellern, während die<br />
Baronin, füllig, schwarz geklei<strong>de</strong>t, ein Tischgebet murmelte, <strong>de</strong>ssen Worte niemand<br />
verstand, weil niemand auf sie hörte. Nur das „Amen“ verstan<strong>de</strong>n alle, „gesegnete Mahlzeit“<br />
dann noch und etwas <strong>von</strong> „Gottesgabe in diesen schweren Zeiten“, aber das ging schon im<br />
Stühlerücken und Tellerklappern unter und im dröhnen<strong>de</strong>n „Na, <strong>de</strong>nn woll’n wir mal!“ <strong>de</strong>s<br />
Barons.<br />
Halina Piotrowska, dreiundfünfzigjährig, klein, blond, huschte lautlos um <strong>de</strong>n Tisch, reichte<br />
das Brot herum, balancierte die schwere Schüssel, in <strong>de</strong>r das Sauerkraut dampfte, in <strong>de</strong>r<br />
linken Hand, während sie die Teller füllte; sie reichte <strong>de</strong>m Baron die Bratenplatte und<br />
verschwand lautlos, <strong>von</strong> nieman<strong>de</strong>m bemerkt, wie es schien.<br />
Doch kaum hatte sich die Tür hinter ihr geschlossen, da sagte Henriette - laut und aggressiv<br />
sagte sie es und schaute aus ihren braunen Augen dabei harmlos-naiv in die Run<strong>de</strong>:<br />
Wenigstens am Weihnachtsabend hätte Halina doch mit uns zusammen essen können,<br />
fin<strong>de</strong>t ihr nicht?<br />
Zusammenzuckte die Baronin, hauchte entsetzt: Henriette, du vergisst dich!<br />
Und Hofrat Joseph <strong>von</strong> Janke, sommersprossig, kupferfarbig das schüttere Haar, sehr<br />
groß, sehr voll im Fleisch, neben ihr sitzend, da er ihr angetraut ist seit nunmehr vierzehn<br />
Jahren - Janke raunte sanft ta<strong>de</strong>lnd: Aber, Henriette!