Nachlese 662. Tagebuch A) NACHLESE ZUR BUNDESTAGSWAHL ...

auch
MICHEL: (eisig zurückhaltend) grüss Gottl
MÜLLER.grüss Gott, Gott zum grussl
MICHEL: (setztsich , spricht gemessen und feierlich) herr Müller,
Ihnen zur gefälligen kenntnisnahme: ich habe mich der mühe
unterzogen, Ihre aufsätze persönlich durchzufliegen.
MÜLLER: (rutscht freudig bewegt über seinen stuhl, reibtsich die
hände) haben Sie? das ist aber schrecklich nett von Ihnen, herr
minister, vielen dank auchl
MICHEL: nichts zu danken · leider
MÜLLER: (fällt von seiner vorgebeugten haltung in den sessel
zurück) leider?
MICHEL: (mit betonung) leider - leider Gottes! leider also werden
wir hierzulande in unserren presseorganen für Ihre auslassungen
keinerlei geeignete verwendung finden können - keine stätte für
Sie!
MÜLLER: keine verwendung, keine stätte? ich hatte aber doch
gehofft · Sie - also irgendwer irgendwie:
MICHEL::im leben geht nicht alles so, wie wir uns das gerne
wünschen. wir müssen uns häufig tiefer bücken, nicht selten so tief
wie ein kamel sichbeugen müsste, um durch ein nadelöhr zu
schlüpfen.
MÜLLER: (fassungslos offensichtlich) aber warum denn gleich so
extreme ablehnung, so radikale zensur, warum alles immer so
MICHEL: (schroff, wieder sehr reserviert, das gesicht zu eis
erstarrt) ausserdem, und das ist selbstredend der hauptgrund
MÜLLER: selbstredendl
MICHEL: selbstredend - der hauptgrund selbstredendl
BEIDE: selbstredendl
MICHEL: also 'selbstredend' - Ihre auslassungen sind
zunächst und vor allem deshalb nicht tragbar, weil sie das
erforderliche niwo vermissenlassen. Sie glauben über den
parteien zu stehen, mit verlaub - in wirklichkeit stehen Sie nur
unter ihnenl
MÜLLER: was Sie nicht sagen.
MICHEL: sagen auch alle meine mitarbeiter aller parteien. es
fehlt Ihnen offensichtlich an begabung. Sie
überschätzensich. - legen Sie sich fest auf eine partei, auf einen
teil, katholizismus ist schlecht verkäufliche ware. entweder sitzen
Sie auf allen stühlen oder neben allen. - so, jetzt wissen Sie es
genau. suchen Sie die schuld bei sich selber und nicht anderswo.
nocheinmal: setzen Sie sich auf irgendeinen sessel, wenn Sie
glück haben, finden Sie noch gar einen ministersessel - aber