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Zur Politischen Ökonomie des gegenwärtigen Imperialismus ...

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II. Soziologie 117<br />

gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse herausfallen. Dadurch wird<br />

der soziale Wandel zu „etwas Allgegenwärtigem" entschärft, das nun<br />

besonders im „kleinen Format" in Familie, anderen Kleingruppen,<br />

Verwaltungen etc. beschrieben werden kann.<br />

Ursachen und Wirkungen verschränken sich so in bunter Mischung;<br />

nachdem die verschiedenen Theorien gesellschaftlicher Entwicklung<br />

wie „Stufen"- oder „Zyklus"-Theorien aneinander relativiert sind,<br />

kann die „Mär von einer einzigen und alleinigen Theorie <strong>des</strong> Wandels"<br />

rasch widerlegt werden. Die weite Spanne sozialer Systeme<br />

„von einem Freun<strong>des</strong>paar bis zum großen Nationalstaat" schlägt<br />

<strong>des</strong>kriptive Geistesart gleichermaßen über die engen Leisten eines<br />

Systems von Rollenspielern, deren Handeln sich nach jenen dualistischen<br />

Verhaltensregeln richtet, die zwischen Belohnung und Strafe,<br />

also Zuckerbrot und Peitsche oszillieren. Untergründig fließt in die<br />

arglose Theorie mit dem impliziten Sanktionenvollzug eine reale<br />

Herr-Knecht-Dialektik ein.<br />

Trotz allgemeiner Relativierung mißt Moore der „Theorie von<br />

Wirtschaftsentwicklung und Gesellschaftswandel" für die Vorgänge<br />

der Industrialisierung beträchtliche Relevanz zu. An diese heftet er<br />

eine keimfrei gesehene „Institutionalisierung der Rationalität". Daß<br />

die Ausdehnung rationaler Subsysteme selbst in historisch sich entfaltenden<br />

Produktionsweisen gründet, bleibt dem Autor ebenso verborgen,<br />

wie er andererseits schon die bloße Erwähnung sozialer<br />

Herrschaft und politischer Macht scheut. Dieser bereits im methodischen<br />

Ansatz sich ankündigenden Versagung folgt die unbestimmte<br />

Aussage: „Es ist zweifelhaft, ob irgendjemand irgendwo wahrhaft an<br />

die völlige soziale Gleichheit glaubt, aber es ist ebenso zweifelhaft,<br />

daß irgendeines der bestehenden Systeme der Ungleichheit sich auf<br />

irgendeine auch nur annähernd einmütige Zustimmung stützen<br />

kann" (142).<br />

Wohl kommt Moore zu der Einsicht, daß die „Arbeitsorganisation<br />

als zur ,Kernstruktur' der Industrialisierung gehörig" (162) anzusehen<br />

sei, doch bleibt diese Aussage ähnlich formal wie der Begriff<br />

der „Wirtschaftsorganisation" — der für positivistisches Denken so<br />

eklatante Sachverhalt, daß in der Pose scheinbarer Wertfreiheit und<br />

Objektivität das Denken eben dort aufhört, wo die kritische Analyse<br />

beginnen müßte. So werden Spannungen und Konflikte in den Industriegesellschaften<br />

wie auch ihre Hauptunterschiede von der sozialen<br />

Basis in den politischen Bereich verschoben. Zwar sieht Moore die<br />

Naturwissenschaft durchaus als ein Erzeugnis der Gesellschaftsorganisation;<br />

aber vor der einzig relevanten Frage, wie die drohenden<br />

Gefahren totaler Vernichtung entstehen oder gar verhindert werden<br />

können, verschließt naiver Theorieersatz hilflos die Augen. Der in<br />

dieser Weise beschränkte Pessimismus gegenüber einer herrschaftsbestimmten<br />

Realität zeugt letztlich von einer Denkweise, die nicht<br />

mehr zu erklären, geschweige aufzuklären vermag, sondern nur noch<br />

der Verklärung bloßer Faktizität dienstbar scheint.<br />

Paul Oehlke (Marburg/Lahn)

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