Zur Politischen Ökonomie des gegenwärtigen Imperialismus ...

II. Soziologie 119
frage. Auch die Hypothese Rousseaus, der Sozialzustand gehe den
Verträgen voran, wird empirisch eingelöst. Vertragsrecht ist stillgestellter
Kampf und kann schon deshalb nicht zu den gesuchten
menschlichen Felsgründen (f 148) gehören, „auf denen unsere Gesellschaften
ruhen" (d 19). Dürkheim vermutete als eine der marginalen
Regeln der soziologischen Methode, das Kollektivbewußtsein
müsse der Existenz von Verträgen systematisch, aber nicht historisch
vorausgesetzt werden: M. falsifiziert es. Ms. Beschreibungsinteresse
expliziert Institutionen des nicht-kontraktuellen Momentes im
sich entfaltenden Kontrakt, „Institutionen, die den Übergang zu
unseren eigenen Rechte- und Wirtschaftsformen gebildet haben"
(d 120): „Welches ist der Grundsatz des Rechts und Interesses, der
bewirkt, daß in den rückständigen und archaischen Gesellschaften
das empfangene Geschenk zwangsläufig erwidert wird? Was liegt
in der gegebenen Sache für eine Kraft, die bewirkt, daß der Empfänger
sie erwidert?" (d 18). Der nebenher nachgewiesene Ursprung
des Warencharakters ist der der Talismane, für die man Kredit hat,
denen man warenreligiös glaubt. Die den Waren auch ursprünglichen
Ehrengaben wurden kalkuliert: bei einer Geburt schenkt
jeder ein Ei (d 158), zur Hochzeit empfängt man Decken (d 79).
„Der Ursprung des Kredits ... ist in einer Kategorie von Regeln
gegeben: nämlich der Gabe" (d 84). Regulatives Prinzip der Gaben
und ihrer Erkenntnis ist für M.: Totalität.
Suhrkamp zog anstelle der Introduction von Cl. Lévi-Strauss die
von Evans-Pritchard herbei („M. ging zu den Quellen ... M. hat
gezeigt, daß man dies tun kann, ohne seine Gelehrtenstube zu verlassen
... Der Essai ... ist auch sehr wichtig für das Verständnis
von M. und für seine Beurteilung ..."). Die exakte dt. Übersetzung
Eva Moldenhauers folgt anfangs meist dem französ. Text, dann, seit
der Thematisierung zerstörerischer Tauschformen in Amerika (die
dem Indianertopos folgen: wir können uns das leisten, unsere employees
müssen ja wieder produzieren), folgt sie mehr der US-Ausgabe,
deren Textabweichungen Inferentialindikator „for easier reading"
und des kulturspezifischen Kampfes „for the sake of clarity"
(xi) sein mögen. Clearly beginnt sie mit „The foregoing lines", weil
foregoing 85 Zeilen fehlen. Aus Stichproben: „économies et droit"
(f 150) liest sich clearly erst „systems" (a 3), „régime du don" (f 194)
= „institutions" (a 30), „un système du droit et d'économie" (f 192) =
„institutions" (a 30), „chef et son clan" (f 200) = „individual" (a 34),
„désintéressé" (f 194) = „interested" (a 31), „profanes" (f 210) =
„outsiders" (a 39), „parents" (f 192) liest sich easier „relatives" (a 30).
Nervosité (f 212) ist aus dem US-Text relaxed, Wörter wie Interesse,
allgemeiner, wucherisch ... fehlen a 26 ersatzlos, a 28 liest man „factors"
als Zugabe wie sonst „value". Wenn das frz. „talisman" überhaupt
übersetzt wird, dann in „clans" (a 42). Gar auf die Primitivität
des Militärs hinzuweisen, erübrigt sich in USA (a 40). Sobald weitere
Essays aus Sociologie et Anthropologie bei The Free Press erscheinen
sollten, werden weitere Übersetzungen aus dem Französischen
angelegen sein.
Wolfram Thunack (Berlin)