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Zur Politischen Ökonomie des gegenwärtigen Imperialismus ...

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128 B esprechungen<br />

sich der theoretische Wert von Mitscherlichs Position bezweifeln; sie<br />

mißt den Subjekten oft ein Gewicht zu, das ihnen in dieser Gesellschaft<br />

nicht zukommt. Doch erweist sich diese theoretisch gesehen<br />

sicher ideologische Stellung nach Mitscherlichs Ansicht politisch als<br />

günstig, wenn damit generell daran erinnert wird, daß nur die Menschen<br />

selbst die Welt verändern können.<br />

Unsere Kritik zielt nicht auf den wichtigen Einwand, daß im „Weg<br />

zur vaterlosen Gesellschaft" die notwendige soziologische Vermittlung<br />

psychoanalytischer Kategorien nicht immer konsequent geleistet<br />

wurde; das „auf dem Wege" (zur vaterlosen Gesellschaft) ist von den<br />

Kritikern zu Recht durchaus mehrdimensional verstanden worden.<br />

Der Einwand ist aber auch gegen diese zurückzuwenden: Haben sie<br />

ihrerseits auf die psychologische Vermittlung <strong>des</strong> von ihnen suggerierten<br />

politischen Weges reflektiert? Natürlich ist ihr Dezisionismus<br />

nicht inhaltslos, sondern weiß sich an den Willen zur Einrichtung<br />

einer besseren Gesellschaft gebunden, aber man muß fürchten, daß<br />

die schon Konvention gewordene Protestformel, das herkömmliche<br />

Maß an Unterdrückung sei objektiv nicht mehr notwendig (55), bei<br />

„radikaler Negation" in ihrer Negativität hilf- und wirkungslos<br />

bleibt, obgleich andererseits plausibel ist, daß durch die an Mitscherlich<br />

kritisierte Isolierung <strong>des</strong> psychischen Fel<strong>des</strong> von der Geschichte der<br />

Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse die Gefahr <strong>des</strong> Festhaltens<br />

an historisch überholten Deformationen besteht (55). Die<br />

Autoren haben den notwendigen bösen Blick, um die Gefahrenmomente<br />

beim Sicheinlassen mit dieser Gesellschaft aufzuspüren; sie<br />

haben aber nicht die von ihnen selbst öfter berufene Gelassenheit,<br />

sich in die Widersprüche so einzulassen, daß sie an der bestimmten<br />

Negation festhalten und dennoch ihr Handeln von der Schwierigkeit<br />

dieser Aufgabe nicht lähmen lassen. Die Kritiker halten sich vielmehr<br />

so sehr an die Vorstellung, eine neuerliche Entscheidungsschlacht von<br />

Harmagedon stehe bevor, daß man befürchtet, sie lassen sich im Ernst<br />

mit dieser ganz schlechten Welt überhaupt nicht mehr ein, weil sich<br />

in ihr alles ins Schlechte verkehrt. In diesem Zusammenhang wird<br />

übrigens die Stellung der Krankenkassen zur Psychoanalyse einfach<br />

falsch dargestellt (97 ff.). Die bittere Lust am Negativismus ist evident.<br />

Über diesen wesentlichen Zug der Schrift fällt der Schatten der<br />

„großen Weigerung". Das berechtigt, auf W. F. Haugs Kritik an<br />

Marcuse hinzuweisen: „Der Sozialismus ist wissenschaftlich, oder er<br />

ist nicht." 1<br />

Psychoanalyse läßt sich, weil sie heilen will und nicht nur ein<br />

System von Sätzen ist, mit den bestehenden Verhältnissen ein; das<br />

kann theoretisch als ihr „affirmatives Moment" (42 f.) bezeichnet werden.<br />

Man muß sich mit Krankheit aber auch praktisch einlassen. Muß<br />

man dann nicht den praktischen Bezug zu dieser Welt — beim Versuch<br />

Individuen zu heilen, d. h. ihnen ein wesentliches Teil Verfügung<br />

1 W. F. Haug: Das Ganze und das ganz Andere, in: Antworten auf<br />

Herbert Marcuse, hrsg. v. J. Habermas, Frankfurt/Main 1968, S. 69.

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