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Zur Politischen Ökonomie des gegenwärtigen Imperialismus ...

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20 Günther Anders<br />

der Straße hinsetze und sich dann forttragen lasse, den in Vietnam<br />

zu Tode Brennenden reellere Hilfe als diejenigen, die sich um Vietnam<br />

überhaupt nicht kümmern. Offen gesagt, scheint mir sein Agieren<br />

sogar noch unernster als das seiner nur betenden Eltern; noch<br />

unernster <strong>des</strong>halb, weil er sein Nichtagieren demonstrativ auf der<br />

Straße aufführt, also scheinheilig so tut und es sich selbst und uns<br />

einredet, daß er wirklich agiere und eingreife. Nicht nur keine Gewalttätigkeit<br />

ist sein Eingreifen, sondern noch nicht einmal ein Eingreifen,<br />

vielmehr etwas, was sich, wie ein Theaterstück, im Bereich<br />

<strong>des</strong> bloßen „Als ob" abspielt, also wirklich bloßes „Agieren" im<br />

Sinne vom Theaterspiel. Dadurch, daß er seine Schauspielerei auf<br />

die Straße verlegt, macht er diese nicht zur Wirklichkeit, umgekehrt<br />

macht er die Straße dadurch zur Bühne, die „Welt" bedeutet ihm nun<br />

nichts anderes mehr als „Bretter"; und wenn er das ableugnet, dann<br />

ist er eben der naivste von allen möglichen Schauspielern, nämlich<br />

einer, der, im Unterschiede zum Publikum, auf Seine Spielerei hereinfällt<br />

und als einziger glaubt, er sei wirklich der, <strong>des</strong>sen Rolle er<br />

spielt. Im übrigen ist es natürlich kein Zufall, daß im selben Augenblick,<br />

in dem er sich mit seiner Scheinaktion zufriedenstellt, die<br />

Künstler ihr „Reich <strong>des</strong> Scheins" unbefriedigt verlassen, um ihren<br />

künstlerischen Darstellungen die Form von „Wirklichkeit" spielenden<br />

„happenings" zu verleihen. In der Tat gehört es zum Wesen der<br />

„happenings", daß sie ebensowohl als artistische Akte angesehen<br />

werden können, die auf das ästhetische „Als ob" verzichten und dadurch<br />

zu epatieren versuchen, wie als politische Akte, die auf wirkliche<br />

Risiken verzichten und dadurch auch auf die Chance wirklicher<br />

Effektivität. Bei vielen Ereignissen ist es gar nicht mehr zu entscheiden,<br />

ob sie politisch gemeinte, aber phantomhaft und harmlos bleibende<br />

Aktionen sind oder umgekehrt künstlerische Aktionen, die<br />

sich damit brüsten, in Form wirklicher Vorgänge stattzufinden. Das<br />

ist um so schwerer zu beurteilen, als die Autoren der „politischen"<br />

und der „künstlerischen" Ereignisse oft identisch sind. Nichts ist<br />

heute charakteristischer als der mit' roter Farbe gefüllte Plastikbeutel.<br />

Solange rote Farbe sich darauf beschränkt hatte, auf der<br />

Leinwand ihre Rolle zu spielen, hatte sie niemals behauptet, Blut zu<br />

sein, nur Blut darzustellen. Nunmehr benutzt man die Wirklichkeit<br />

als Leinwand: denn statt auf die Staffelei wirft man die blutige<br />

Farbe nun auf wirkliche Honoratioren und auf wirkliche Polizisten,<br />

die dann für Augenblicke wirklich nicht mehr wissen, ob sie Opfer<br />

eines wirklichen Attentats sind, oder ob es ihnen nur zustößt, die<br />

lächerliche Opferrolle in einem ihnen abverlangten Schauspiel spielen<br />

zu müssen. Daß die blutig ernsten Vertreter der Exekutive auf<br />

solches ungeheuerliche quid pro quo nicht vernünftig zu reagieren<br />

verstehen, daß sie nicht mitspielen können, vielmehr wirklich blutig<br />

reagieren und damit das Schauspiel in Wirklichkeit verwandeln, das<br />

ist kaum verwunderlich. Was vom heutigen Konsumenten gilt: Daß<br />

er, vor dem Fernsehschirm sitzend, die Fähigkeit verliert, zu entscheiden,<br />

ob er ein, zumeist mörderisches, Schauspiel vor sich habe<br />

oder ein Bild der blutigen Wirklichkeit selbst, oder anders, daß er

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