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Zur Politischen Ökonomie des gegenwärtigen Imperialismus ...

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22 Günther Anders<br />

Dialektik <strong>des</strong> Esoterischen<br />

Akademiker sind wahrhaftig nicht nur für Akademiker da. Und<br />

wie stolz Philosophen, namentlich Professoren der Philosophie, auch<br />

darauf sein mögen, grundsätzlich nur für Philosophen zu schreiben<br />

— dadurch verzichten sie ein für allemal auf Breite der Wirkung.<br />

Aus diesem Grunde habe ich seit 1931 versucht — und damals war<br />

die Aufgabe, die ich mir stellte, rechtmäßig — für die Behandlung<br />

von Problemen, die ich für universal wichtig hielt (schließlich bedrohten<br />

Faschismus und Krieg nicht nur die Dächer der Universitäten),<br />

eine unakademische, unesoterische, unhermetische Sprache zu<br />

finden; und solche Thesen, die mir, der ich ja ebenfalls aus der Universitätswelt<br />

und der Universitätssprache kam, zuerst in akademischem<br />

Idiom eingefallen waren, in eine Sprache zu übersetzen, die<br />

von einer möglichst breiten Leserschaft verstanden werden würde;<br />

aber nicht etwa zu „popularisieren", vielmehr so zu übersetzen, daß<br />

von der Unzweideutigkeit <strong>des</strong> wissenschaftlichen Idioms auch in dem<br />

allgemeiner verständlichen Text nichts verlorenginge 12 .<br />

Meine Mühe ist vergeblich gewesen. Vergeblich freilich nicht <strong>des</strong>halb,<br />

weil meine „Übersetzungen" mißlungen wären, sondern <strong>des</strong>halb,<br />

weil sie sich schließlich als überflüssig, und damit, da ich in der<br />

Zeit Nützlicheres hätte fertigstellen können, sogar als schädlich erwiesen<br />

haben. Damit meine ich, daß die Opposition, die heute Ohren<br />

für kritische Thesen und kritische Theorien hat, nahezu ausschließlich<br />

aus Akademikern, nämlich aus Studenten, besteht. Nun ist deren<br />

Zahl in fast allen Ländern so enorm angewachsen, daß nur derjenige<br />

Oppositionstheoretiker auf wirkliche Breitenwirkung rechnen kann,<br />

der, wie z. B. Marcuse, als akademischer Lehrer zu akademischen<br />

Schülern, also zu den Studenten spricht. Tatsächlich sind ja die Oppositionellen<br />

mit denen, die eine akademische Sprache sprechen,<br />

gruppenmäßig kongruent; die Revolutionäre oder Rebellen von heute<br />

diskutieren in „esoterischen" Schulidiomen (z. B. in dem der Frankfurter<br />

Schule und das nicht etwa nur bei ihren teach-ins, sondern auch bei<br />

direkt politischen Gelegenheiten, selbst ihre Appelltexte enthalten<br />

ja Vokabeln, die allein Lesern der „esoterischen" akademischen Op-<br />

12 Mitmotiviert war mein Insistieren auf solchem „Übersetzen" auch<br />

durch die Tatsache, daß viele, mit bestimmten wissenschaftlichen Terminis<br />

technicis belegte Wahrheiten teils aus politischen Gründen nicht<br />

mehr ausgesprochen werden durften, teils, wenn ausgesprochen, sofort<br />

mit bestimmten Parteizugehörigkeiten identifiziert und, noch ehe, was in<br />

ihnen ausgesagt war, aufgefaßt war, als Etiketten abgelehnt wurden. Das,<br />

was ich „Übersetzen" nannte, schien mir, um mit Brecht zu sprechen (und<br />

diese meine „Übersetzungen" begannen in den ersten Monaten meines<br />

Verkehrs mit Brecht) als ein Kunstgriff, der es vielleicht doch noch ermöglichte,<br />

in schwierigen Zeiten die Wahrheit auszusprechen und dieser<br />

den Weg zum Hörer zu erleichtern. Daß einmal eine Situation würde eintreten<br />

können — und diese ist nun eingetreten —, in der man Wahrheiten<br />

<strong>des</strong>halb würde aussprechen dürfen, weil sie als irrelevant gelten<br />

würden; daß Wahrheiten Übersetzungen gar nicht mehr benötigen würden,<br />

das war damals im Jahre 1931 wahrhaftig noch nicht vorauszusehen.

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