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Zur Politischen Ökonomie des gegenwärtigen Imperialismus ...

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24 Günther Anders<br />

Ich kenne z. B. einen immerhin zweiundzwanzig jährigen Studenten<br />

L., der, empört über die Verwendung von Napalm in Vietnam, darauf<br />

gierig war, etwas dagegen zu tun, irgend etwas, min<strong>des</strong>tens<br />

dagegen zu protestieren; der aber keine bessere Befriedigung dieses<br />

Dranges erfinden konnte als die, drei Tage und drei Nächte lang<br />

weder Speise noch Trank zu sich zu nehmen. Und selbst daß er der<br />

Erfinder dieser Triebbefriedigung gewesen sei, hieße, ihm zuviel<br />

Ehre erweisen, da ja vor ihm bereits andere gewesen waren, die ihm<br />

diese idiotische Hungerei vorgemacht hatten. Reden wir <strong>des</strong>halb statt<br />

von ihm im Plural.<br />

Wie echt die Empörung dieser L.'s ursprünglich auch gewesen sein<br />

mag, da sie sich mit solchen Manifestationen ihrer Empörung zufriedenstellen<br />

und da sie uns und sich selbst einzureden versuchen, daß<br />

sie (wie sie betonen) im Unterschiede zu ihren Eltern, die für die<br />

Vietnamesen höchstens beteten, durch ihre Hungerei wirklich etwas<br />

„tun", beweisen sie, daß sie nicht nur töricht, sondern auch unehrlich<br />

sind.<br />

Formal könnte man zwar mit gutem Willen ihr Hungern ein „Tun"<br />

nennen (obwohl man es richtiger als ein Nichttun oder als ein beabsichtigtes<br />

Leiden klassifiziert). Aber ernsthaft in ihm ein Tun zu<br />

sehen, das wäre albern, weil nicht' jede beliebige Betriebsamkeit ein<br />

Tun ist, sondern allein diejenige, die auf ein Ziel losgeht und dadurch,<br />

daß sie einen Weg zurücklegt, dem Ziele näher kommt, min<strong>des</strong>tens<br />

näher zu kommen versucht. Negativ: Was zählt, ist allein,<br />

daß die Hungerei der L.'s alles beim alten läßt. Im Grunde genommen<br />

treten die Hungerkünstler genauso „auf der Stelle" wie die<br />

Beter, nur daß sie eben ungleich unehrlicher sind als diese, da sie<br />

sich ja in die Brust werfen und sich rühmen, „im Unterschiede zu<br />

deren Getue eben wirklich etwas zu tun".<br />

Wenn schon Allopraxie, wenn es schon am Ziel vorbei-agierende<br />

Aktivisten geben muß, dann schon lieber jene Freunde und Freundinnen<br />

unserer hungernden L.'s, die zwar für die Beendigung <strong>des</strong><br />

Krieges in Vietnam oder für die Errettung der dort zugrunde gehenden<br />

Kinder genausowenig tun wie diese; aber die doch, statt nutzlos<br />

für Vietnam zu hungern, einander öffentlich abküssen, wovon min<strong>des</strong>tens<br />

sie, so hoffen wir, etwas haben; und die durch diese Demonstration<br />

von making love, not war, immerhin für eine etwas erfreulichere<br />

und liebenswertere und friedfertigere Welt zu werben<br />

scheinen.<br />

Entscheidend freilich ist — ganz abgesehen davon, daß bei jedem<br />

making love gegen Napalm entweder der Gedanke an Napalm oder<br />

das making love Schaden leiden muß —, entscheidend ist die Differenz<br />

zwischen den asketisch für Vietnam Hungernden und den für<br />

Vietnam Küssenden nicht, beide Beschäftigungen bleiben Pseudo-<br />

Aktionen. Und es ist durchaus denkbar und kommt vermutlich audi<br />

oft vor, daß, wem es heute Spaß macht, gegen Napalm mit Hilfe von<br />

Nichtessen zu protestieren, es morgen einmal zur Abwechselung mit<br />

dem necking und petting versuchen wird; und umgekehrt. Gemessen

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