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Zur Politischen Ökonomie des gegenwärtigen Imperialismus ...

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4 Günther Anders<br />

seinen Appell zur Entfranzösisierung allein mit Hilfe „seines" und<br />

„ihres" Französisch in Worte bringen. Als die für die gemeinsame<br />

Sache der Knechte gemeinsame Sprache dient die <strong>des</strong> Herrn bzw.<br />

<strong>des</strong> Exherrn. Und auch heute ist das noch nicht anders. Wie sollten<br />

sich z. B. Vietnamesen und Algerier miteinander verständigen, wenn<br />

nicht mit Hilfe der Sprache derer, denen sie beide einmal unterworfen<br />

gewesen waren? Diese Generalnenner-Rolle <strong>des</strong> „Herrn" war in<br />

Hegels „Phänomenologie" noch nicht vorgesehen.<br />

Manövertote<br />

Unter den vielen bereits behandelten Gründen für den Angriff der<br />

Vereinigten Staaten auf Vietnam ist einer, den wir uns gewöhnlich<br />

<strong>des</strong>halb nicht klarmachen, weil wir undialektisch in den Vietnamesen<br />

einfach Vietnamesen sehen und in deren Sterben einfach deren Sterben.<br />

Wenn wir unser Denken auf dem wahrhaftig nicht gerade alpinen<br />

Dialektikniveau von Johnson & Co. durchführen würden, dann<br />

würden wir begreifen, daß diese in Nordvietnam durchaus nicht nur<br />

Nordvietnam sehen, sondern auch das Vorzimmer Chinas, und daß<br />

sie bei der Bebombung Nordvietnams durchaus nicht nur auf Hanoi<br />

abzielten, sondern auch auf Peking — <strong>des</strong>halb nämlich, weil China<br />

im Herbst 1964 zur Atommacht aufgestiegen war. In anderen Worten:<br />

die Bebombung von Nord Vietnam war und ist nicht nur ein<br />

Kriegsakt, sondern zugleich auch ein „friedlicher" Akt, ein Akt nämlich,<br />

der sich während <strong>des</strong> zwischen den USA und China herrschenden<br />

Friedens abspielte; freilich eben ein Akt der Warnung. Die Vietnamesen,<br />

die zugrunde gegangen sind, die sind mithin nicht nur als<br />

sie selber, nicht nur als Nordvietnamesen gestorben, sondern auch als<br />

Warner — womit natürlich nicht gesagt sein soll, daß sie sich im<br />

Sterben selbst als Warner angesehen oder angeboten, oder daß sie<br />

sich gar geopfert hätten; vielmehr, daß Johnson (<strong>des</strong>sen Wunsch es<br />

war und natürlich auch heute noch ist, daß sich die Chinesen die<br />

nordvietnamesischen Ereignisse „hinter die Ohren schreiben") den<br />

Nordvietnamesen bzw. deren Sterben diese Warnungsrolle zugewiesen<br />

hat. In gewissem Sinne sind also die sterbenden Vietnamesen<br />

Angestellte Johnsons, <strong>des</strong>sen Boten, und man darf sogar zufügen:<br />

hochbezahlte Angestellte, da sich Johnson ja deren Sterben viel<br />

kosten läßt; wenn auch andererseits nicht behauptet werden kann,<br />

daß die so kostspieligen Boten selbst viel Gelegenheit haben, in den<br />

persönlichen Genuß der in sie investierten Beträge zu kommen. Der<br />

Unterschied zwischen üblichen Kriegsopfern und diesen liegt auf der<br />

Hand: denn hier handelt es sich ja nicht wie in anderen oder früheren<br />

Kriegen darum, daß Männer in Erfüllung ihrer soldatischen<br />

Pflichten zugrunde gehen; und diese Pflichten haben sie ja nicht im<br />

Kampf gegen ihre Feinde zu erfüllen, sondern in deren Auftrag;<br />

und sie sterben nicht <strong>des</strong>halb, weil das ein mit ihren Pflichten verbundenes<br />

Risiko wäre, vielmehr besteht ihre Pflicht selbst im Sterben.<br />

Was seit Jahren auf dem nordvietnamesischen Kriegsschauplatz<br />

vor sich geht, entspricht im Prinzip genau dem, was 1945 bei der

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