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Zur Politischen Ökonomie des gegenwärtigen Imperialismus ...

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130 B esprechungen<br />

jener Geschlechtsverkehr nur als Politik an sich interpretiert werden<br />

kann, mag man ihn mit besserem Recht als ungeeigneten Versuch,<br />

ein lebensgeschichtliches Defizit zu beseitigen, ansehen (wobei Gesellschaft<br />

in der Genese nicht zu vergessen wäre) oder als schlichten<br />

Geschlechtsverkehr interpretieren. Aber als politischen Akt können<br />

ihn doch nur jene verstehen, die nur noch auf ein Deformiertes als<br />

Moment der Rettung setzen, das in dieser Form gegenüber sich selbst<br />

ebenso blind bleibt wie die instrumentelle Vernunft. Damit gerät<br />

Politik in Gefahr, zum verbitterten ästhetischen Spiel zu werden.<br />

Ist, wie die Kritiker meinen, die von Mitscherlich kritisierte „Dämmerhaltung<br />

von Sattheit" — ein Regressionszustand, in dem seines<br />

Erachtens die Mehrzahl der Zeitgenossen verharrt — als „Traum<br />

von paradiesischen Zuständen" (60) in seiner ganzen Abstraktheit<br />

denn wirklich ein politisches Potential, mit dem sozialistische Politik<br />

rechnen kann? Ich meine, Mitscherlich — wiederum aber nur in<br />

einer taktischen Position — fürchtet eher, die Erfüllung dieses Traumes<br />

könne versäumt werden, wenn er in dieser Abstraktheit verbleibt,<br />

die sich am schwersten in eine vernünftige Politik umfunktionieren<br />

läßt. Zumin<strong>des</strong>t ist bis heute die Möglichkeit der Rechten<br />

weitaus größer, dieses „Zukunftsträchtige an den Niemandskindern"<br />

(60) für sich zu verbuchen.<br />

Das wahre Reich der Kritiker scheint nicht von dieser Welt. Sie<br />

erblicken in den Symptomen irrationaler Herrschaft utopisches Potential:<br />

die Deformierten werden gewissermaßen als kranke Reservearmee<br />

verstanden. Trotz oder gerade wegen ihres durchschimmernden<br />

Aktivismus verharren sie mit einer gewissen Faszination bei dieser<br />

Scheinwelt ihrer Utopie aus Krankheit, die zunächst theoretisch<br />

zu durchstoßen wäre. Sie wollen sich nur zum Schein mit der Welt<br />

einlassen, obgleich sie sich auf sie stürzen. Ihnen gegenüber ist die<br />

zitierte Forderung Mitscherlichs, das Defizit zwischen Hoffnung und<br />

Chance der Verwirklichung als Stachel der Lebensbewegung zu ertragen<br />

und die eigene Lage besonnener zu kontrollieren, ins Feld zu<br />

führen. Es handelt sich um die Effektivität sozialistischer Politik.<br />

Die Kritik der Kritik beruft sich wesentlich auf den Satz, „daß<br />

die befreite Menschheit nur noch als die radikale, nicht mehr bloß<br />

bestimmte Negation <strong>des</strong> Bestehenden denkbar sei" (43). Dieser Satz<br />

beleuchtet eine Reihe dunkler Stellen, über deren Auslegung man<br />

sich hätte streiten können. Diese Dunkeltechnik der augenzwinkernden<br />

Verständigung mit Eingeweihten hätte einer besonderen Untersuchung<br />

bedurft. Doch ich habe mich hier auf die unmittelbar politischen<br />

Probleme der fünf Arbeiten beschränkt, um die es allen Beteiligten<br />

ja auch weitaus mehr geht als um die Psychoanalyse, um<br />

Mitscherlich oder den Ursprung dieses zumeist so radikalen Denkens,<br />

daß es sich an entscheidenden Stellen offenbar zensiert, wenn es sich<br />

den klaren Ausdruck einer Parteinahme verbietet; als ob es sich selber<br />

nicht ganz trauen könne oder die Zensoren wirklich schon auf<br />

ihre Beute, klare und offene Worte, lauerten.<br />

Klaus Horn (Frankfurt/Main)

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