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Zur Politischen Ökonomie des gegenwärtigen Imperialismus ...

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2 Günther Anders<br />

worden ist — eine Tatsache, die uns dazu befähigt bzw. dazu zwingt,<br />

die nicht synchronen Kulturen gleichzeitig, min<strong>des</strong>tens nebeneinander,<br />

in einem einzigen Bilde zu sehen.<br />

Die Epoche, in der diese Asynchronie einfach als geschichts-philosophisch<br />

interessante Tatsache behandelt werden konnte, ist vorbei.<br />

Heute ist das Problem ein politisch-moralisches, und zwar ein in<br />

mehrfachen Hinsichten dialektisches.<br />

Einerseits hatte die Diskrepanz zwischen den „entwickelten" und<br />

den „unterentwickelten" Völkern 1 , zwischen den haves and den<br />

have-nots, also Asynchronie, zu den Voraussetzungen unserer heutigen<br />

Welt gehört. Ohne ausbeutbare, asynchron gebliebene bzw. asynchron<br />

gemachte Länder wäre die Machtentfaltung der heutigen kapitalistischen<br />

Großmächte niemals möglich gewesen. Wieweit diese<br />

Diskrepanz zum Zwecke der Sicherung der Überlegenheit aufrechterhalten<br />

und wieweit sie zum Zwecke der Absatzgewinnung und der<br />

Verhinderung von revolutionären Kriegen verkleinert werden muß,<br />

dieses Dosierungsproblem beschäftigt die Großmächte pausenlos —<br />

„Entwicklungshilfe" ist der Titel für dieses Problem.<br />

Da es zum Wesen der imperialistischen Mächte gehört, kein Gebiet<br />

der Erde nicht' zu besitzen, min<strong>des</strong>tens nicht zu kontrollieren, synchronisieren<br />

sie, ob sie das wollen oder nicht, alle Gebiete der Welt<br />

durch ihre Präsenz. Sogar durch Bebombung kann Synchronisierung<br />

vor sich gehen, und manche, die zuvor außerhalb unseres Geschichtsraumes<br />

eigen- oder ungeschichtlich gelebt hatten, werden, wenn sie<br />

überleben, da nach der Bebombung neu aufgebaut werden muß, zu<br />

Zeitgenossen. — Etwas Analoges ist bereits innerhalb der Gebiete<br />

der industrialisierten Länder selbst geschehen, denn in diesen gibt es<br />

ja auch nicht mehr die Differenz zwischen Residenz und Provinz,<br />

diese ist durch die Leistung der Technik, die alles überall hinbringt,<br />

bereits aufgehoben.<br />

Die Prozesse der Synchronisierung sind ferner <strong>des</strong>halb dialektisch,<br />

weil durch die Versuche, die Asynchronisiertheit unterentwickelter<br />

Länder aufzuheben, nationale Befreiungsbewegungen ausgelöst oder<br />

unterstützt werden, Bewegungen also, die durchaus nicht „synchron",<br />

sondern verspätete Imitationsstücke aus dem 19. Jahrhundert sind.<br />

Bei der Lektüre von Fanon kann man trotz aller Bewunderung für<br />

seine revolutionäre Leidenschaft die Töne eines oft geradezu chauvinistisch<br />

klingenden Nationalismus nicht überhören, Töne, die vermutlich<br />

sogar in den Ohren eines so konservativen Mannes wie <strong>des</strong><br />

immerhin schon in Europa-Maßstäben denkenden Adenauer schon<br />

veraltet geklungen hätten. Wenn ich gerade Fanon nenne, so <strong>des</strong>halb,<br />

weil in ihm die „Dialektik der Gleichzeitigkeit" ihre Kulmination<br />

gefunden hat. Da er nämlich, im Unterschied zu „naiven"<br />

ethnozentrischen Patrioten der Länder A oder B oder C, die Tatsache<br />

<strong>des</strong> <strong>Imperialismus</strong> als internationale Tatsache der Länder A bis Z<br />

1 Das Wort „unterentwickelt" verstehe ich nicht anders als die Worte<br />

„erobert" oder „unterjocht", also als ein participium perfecti passivi.

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