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Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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den Zutritt zu einer zu erforschenden Organisation, Gruppe o. ä. ermöglicht« (Ludwig-Mayerhofer<br />

1999). Meine Schlüsselpersonen waren engagierte MitarbeiterInnen<br />

oder (ehemalige) BewohnerInnen. Diese hatten aus ihrer involvierten Position<br />

heraus gewachsene Vertrauensverhältnisse zu den BewohnerInnen der Lager und<br />

waren zentral bei der Herstellung von Kontakten zu InterviewpartnerInnen. Denn<br />

»[...] beim Übergang in das Forschungsfeld [erfolgen] vielfältige Weichenstellungen<br />

hinsichtlich einer Positionierung im Feld. Wie man sich selbst einführt und vorstellt,<br />

wie man von Schlüsselpersonen den Teilnehmern im Feld vorgestellt wird,<br />

wie man dann später selber ›<strong>mit</strong>spielt‹, sind Stationen und Prozesse [...]« (Lüders<br />

2004: 392), die die qualitative Dichte der erhebbaren Daten direkt <strong>mit</strong>strukturieren.<br />

Aufgrund der entrechteten Rahmenbedingungen ist nach meinen Erfahrungen eine<br />

Selbstpositionierung gegen die Instrumente der Exklusion als auch eine in dieser<br />

Richtung positionierte Schlüsselperson zentral. Durch das Stellen auf die Seite der<br />

Betroffenen bekommen die Interviews über ihre Lebensbedingungen für die Betroffenen<br />

die Perspektive einer Kooperation <strong>mit</strong> einer kritischen Öffentlichkeit und der<br />

dort immer liegenden Potenz einer Veränderung der in den Lagern vorfindbaren Inhumanität.<br />

Diese Positionierung korrespondiert <strong>mit</strong> der generellen Zielsetzung meiner<br />

Forschung als wissenschaftliche <strong>Kritik</strong> der herrschaftsförmigen Verhältnisse<br />

und gesellschaftlichen Strukturen und für deren Veränderung in Richtung einer<br />

transparenten Demokratisierung. Denn »[d]a<strong>mit</strong> findet man sich als Sozialwissenschaftler<br />

auf der Seite der Verlierer, der Abweicher, der Außenseiter, der Ausgeschlossenen,<br />

der strukturellen wie der historischen. Die herrschende Ordnung und<br />

ihre Selbstverständlichkeiten sorgen für sich selbst.« (Steinert 1998: 27)<br />

Mit dieser expliziten Positionierung, die notwendig (wenn auch noch nicht hinreichend)<br />

für einen Zugang zur subjektiven Sicht der Betroffenen auf ihre Lebensweisen<br />

ist, entsteht gegenüber den VerwalterInnen der Lager, gegenüber der bürokratischen<br />

Administration und den direkt Verantwortlichen das Problem, dass aus<br />

ihrer Sicht kritische Forschungen, die sich das Ziel setzen, die Folgen staatlicher<br />

Entrechtung an die Öffentlichkeit zu bringen und wissenschaftlich fundiert zu erfassen,<br />

um sie dann auch verändern zu können, nicht gerne gesehen wird. Hier<br />

war es für mich als Feldforscher notwendig, mich im Rahmen einer »[...] tarnenden<br />

Mitgliedschaft [...]« (Lüders 2004: 392) zu verstellen bzw. Komplizenschaft<br />

<strong>mit</strong> dem System des Ausschlusses vorzugeben. Nur so war die Offenheit zu erlangen,<br />

die mir beispielsweise der Wachschutz im untersuchten Berliner Heim oder<br />

die Ausländerbehörde und die Leitung innerhalb des Lagers Bramsche entgegen<br />

brachten. Im Rahmen dieser Interviews versuchte ich lächelnd und unterstützend<br />

nickend ihnen möglichst viel ihrer subjektiven Sicht auf ihre Arbeit und die darin<br />

begründete ›Notwendigkeit‹ der Entrechtung zu ›entlocken‹. Dies hatte nicht das<br />

Ziel, die so ›vorgeführten‹ Personen bloßzustellen, sondern die Mechanismen herauszuarbeiten,<br />

die als Rationalisierungsstrategien erkennbar werden und die die<br />

Funktion haben, die eigene Arbeit und deren Folgen zu legitimieren und als gesellschaftlich<br />

notwendig darzustellen.<br />

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