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Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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lich-praktisch in Bezug zu gesellschaftlichen Verhältnissen, und zwar im Sinne einer<br />

Möglichkeitsbeziehung: Gesellschaftstheoretisch betrachtet sind Bedeutungen<br />

»Inbegriff aller Handlungen, die durchschnittlich ... von Individuen ausgeführt<br />

werden (müssen), sofern der gesellschaftliche Produktions- und Reproduktionsprozess<br />

möglich ist (sein soll)« (Holzkamp, 1983: 234). Psychologisch – vom<br />

Standpunkt des Subjekts – betrachtet müssen sie eben ›nur‹ modal realisiert werden,<br />

daher »ist das Individuum ... in seinen Handlungen keineswegs festgelegt, es<br />

hat ... die ›Alternative‹, nicht oder anders zu handeln, und ist diesem Sinne den<br />

Bedeutungen als bloßen Handlungsmöglichkeiten gegenüber ›frei‹.« (ebd.: 236,<br />

Herv. entf.) 14 Die Antwort auf die psychologische Frage, ob oder warum Einzelne<br />

bestimmte Handlungsmöglichkeiten (nicht) realisieren, kann vor diesem Hintergrund<br />

nicht aus äußeren Umständen abgleitet werden, denn es ist empirisch offen,<br />

welche der Handlungsmöglichkeiten auf welche Weise subjektiv wahrgenommen<br />

werden (Prämissen) und angesichts welcher subjektiven Interessen (Gründe) welche<br />

Handlungsweisen realisiert werden (vgl. Markard 2000: 235 f.). Sämtliche<br />

Handlungen, Denkweisen, Emotionen etc. sind über derartige Prämissen-Gründe-<br />

Zusammenhänge prinzipiell intersubjektivem Verstehen zugänglich – und da<strong>mit</strong><br />

»objektivierbar«. Unverständlichkeit bedeutet »lediglich«, diese (noch) nicht zu<br />

kennen.<br />

Wenn Aspekte menschlicher Subjektivität (Handeln, Denken, Fühlen etc.) nur<br />

in der geschilderten Weise aus dem Zusammenhang subjektiver Interessen und<br />

der Art, wie Bedeutungen subjektiv wahrgenommen und »akzentuiert« werden,<br />

verständlich sind, dann kann auch deren wissenschaftliche Rekonstruktion nur in<br />

Kooperation <strong>mit</strong> den hierüber einzig Auskunftsfähigen, den Betroffenen selbst,<br />

gelingen. Dass die »Beforschten« in der EF/SF als Mitforschende quasi auf der<br />

Forschungsseite stehen, resultiert also »nicht aus irgendwelchen moralischen ...<br />

oder emanzipatorischen Gründen«, sondern weil ansonsten »die Spezifik des Gegenstandes<br />

›menschliche Handlungsfähigkeit...‹ verloren geht« – im experimentellen<br />

Setting z. B., »indem ... der Bedeutungsbezug und die ›Begründetheit‹<br />

menschlicher Handlungen als Ver<strong>mit</strong>tlungsinstanzen zu den objektiven gesellschaftlichen<br />

Lebensbedingungen eliminiert werden bzw. in der ›black box‹<br />

zwischen fremdgesetzten Bedingungen und dadurch ›bedingten‹ Aktivitäten verschwindet.«<br />

(Holzkamp 1983: 540 f., Herv. entf.) Das intersubjektive Beziehungsniveau<br />

zwischen Forscher/innen und Mitforschenden ist eine methodologische<br />

Konsequenz, die sich aus dem Begriff des Psychischen ergibt. Entsprechend<br />

müssen psych(olog)ische Problematiken auch im Begründungsdiskurs verhandelt<br />

14 Die Parallele zu konstruktivistischen Handlungstheorien ist evident, findet aber ihre Grenze dort, »wo gesellschaftliches<br />

Handeln von den sinnlich-stofflichen Aspekten sowohl des Akteurs als auch des gegenständlichen<br />

Kontextes abgehoben und zu reinen kommunikativen Akten subjektiv-intersubjektiver <strong>Stiftung</strong> und Auslegung<br />

von lebensweltlichem Sinn sublimiert wird. ... Individuelle Subjektivität ... wird [dann, KR] ›voluntaristisch‹ in<br />

›Freiheit‹ von jenen materiellen gesellschaftlichen Verhältnissen ... unterstellt, die doch Sinngebung und subjektive<br />

Bedeutungserfassung objektiv formieren.« (Maiers 1996: 171)<br />

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