Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung
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schen Theorie und empirischen Indikatoren und Validierung der Theorieprüfung<br />
entwickelt. »Dieses betrifft den Zusammenhang zwischen Empirie und Theorie.<br />
[…] Theorien werden auf der Basis von Empirie generiert und geprüft, d. h. die<br />
Bildung und Prüfung von Hypothesen sollen empirisch begründet sein.« (ebd.:<br />
221) Dabei ist der Unterschied zum deduktiven Vorgehen zu betonen, bei welchem<br />
ex ante-Hypothesen am empirischen Material geprüft werden. Die qualitative<br />
Forschung dient der Theorieentwicklung, d. h. empirische Daten, Sicht- und<br />
Handlungsweisen müssen die Chance haben in die Theorie einzufließen (eingeschränkt<br />
bei der objektiven Hermeneutik 15 ). Der qualitative Forschungsprozess ermöglicht<br />
da<strong>mit</strong>, theoretisches Vorwissen, Untersuchungshypothesen zu irritieren<br />
und neue nicht vorhersehbare Phänomene zu entdecken. Dieses Vorgehen hat unterschiedliche<br />
Konsequenzen für die Theoriebildung und -prüfung. Bei der Theoriebildung<br />
geht es um die Überprüfung des Forschungsprozesses (und seiner Ergebnisse)<br />
bzgl. der darin gegebenen Chance, empirisches Material sprechen zu<br />
lassen. Die Theorieprüfung erfolgt durch deduktive Forschungselemente, um Hypothesen<br />
zu widerlegen oder zu modifizieren. Hierbei kommt es zu einem Wechsel<br />
zwischen induktivem und deduktivem Prozess (Merkmal der Zirkularität qualitativer<br />
Forschung). Die empirische Verankerung der Theoriebildung wird durch<br />
die Nutzung von bereits entwickelten, aus Regeln bestehenden, d. h. kodifizierten<br />
methodischen Verfahren gesichert (z. B. Objektive Hermeneutik oder Grounded<br />
Theory). Für die Theorieprüfung bieten sich mehrere sich ergänzende Vatianten<br />
an (ebd.: 223 ff.), wie das Heraussuchen hinreichender Textbelege, die analytische<br />
Induktion, bei welcher explizit nach Gegenbeispielen gesucht wird, aber<br />
auch die Ableitung von Prognosen aus der generierten Theorie – der membercheck<br />
–, die einer kommunikativen Validierung gleichzusetzen ist.<br />
Das fünfte Kriterium der Li<strong>mit</strong>ation »dient dazu, im Sinne von ›testing the<br />
li<strong>mit</strong>s‹ die Grenzen des Geltungsbereichs, d. h. der Verallgemeinerbarkeit einer<br />
im Forschungsprozess entwickelten Theorie herauszufinden« (ebd.: 227). Dieses<br />
Kriterium weist Bezüge zur Sicherung der externen Validität, zum Kriterium der<br />
internen Validität im Sinne der eindeutigen Interpretierbarkeit der Ergebnisse,<br />
aber auch zur Prognosevalidität auf. Dabei ist die prognostische Funktion qualitativer<br />
Theorien durch die Untersuchung komplexer Situationen eingeschränkt, was<br />
im Widerspruch zur Vorraussetzung der Prognosevalidität steht, dass zukünftige<br />
Situationen genau definierbar sein müssen. Daraus leiten sich zwei widersprüchliche<br />
Aussagen zur Verallgemeinerbarkeit qualitativer Forschung ab. Zum einem<br />
wird in der qualitativen Forschung der kontextbezogene ›lokale‹ bzw. temporäre<br />
Charakter von Theorien betont, was die Verallgemeinerbarkeit als Folge der Anerkennung<br />
der Kontextualität der Forschung begrenzt. Zum anderen ergibt sich in<br />
Konsequenz der Auseinandersetzung <strong>mit</strong> der Übertragbarkeit der externen Vali-<br />
15 Die objektive Hermeneutik möchte objektive Bedeutungen resp. Sinnstrukturen entdecken, welche i. d. R. individuell<br />
nicht vollständig realisiert werden und so<strong>mit</strong> latent bleiben.<br />
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