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Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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gelegenheiten <strong>mit</strong> ihr besprechen müsse. 12 S<strong>mit</strong>h betont, die Frauen seien traditionellerweise<br />

»relatively autonomous subjects (socially and economically) within<br />

their communities« (S<strong>mit</strong>h 1995: 739) und – im Verhältnis zu ladinas – weniger<br />

unterdrückt: sie müssten sich zwar in die klare geschlechtsspezifische Rollenaufteilung<br />

fügen, doch diese sei <strong>mit</strong> relativ weitreichenden Freiheiten, umfassenden<br />

Gewohnheitsrechten und ökonomischen Sicherheiten verbunden, wobei der Bezugsrahmen<br />

weniger das Eheverhältnis als die Gemeinde sei. So sei es den Frauen<br />

traditionellerweise z. B. nicht nur möglich, Land zu erben, sondern auch, sich<br />

scheiden zu lassen und neu zu heiraten – solange der neue Ehemann nicht aus einer<br />

anderen Gemeinde oder obendrein noch ladino ist. Von Frauen werde in erster<br />

Linie erwartet, jeglichen Kontakt <strong>mit</strong> Männern außerhalb ihrer Gemeinde zu vermeiden.<br />

Darüber hinaus habe sie die Rolle der Trägerin der kulturellen und ethnischen<br />

Identität der Gemeinde zu erfüllen und ihre Kleidung, Frisur und Sprache<br />

darauf auszurichten. Frauen seien in diesem Sinne eher »Eigentum« der Gemeinde<br />

denn des Ehemannes bzw. der Familie. Noch Mitte der 1990er Jahre, so<br />

S<strong>mit</strong>h, seien unter Mayas ca. 90 Prozent der Ehen innerhalb der jeweiligen Gemeinde<br />

geschlossen worden, eine Heiratspolitik, die Teil der auf Abschottung<br />

nach außen zielenden Strategie der indigenen Gemeinden ist (ebd.).<br />

Entsprechend der rigiden Rollenvereilung und patriarchalen Kontrolle weiblicher<br />

Sexualität wurde jungen Frauen – ähnlich wie in den westlichen Gesellschaften<br />

der Frühmoderne – erst Jahrzehnte nach den männlichen Jugendlichen eine<br />

Schulausbildung gewährt.<br />

2.2. Modernisierung und Bürgerkrieg<br />

Die traditionelle Abschottungsstrategie konnte ab den 1960er Jahren nicht mehr<br />

aufrechterhalten werden, als die indigenen Gemeinden zu Objekten verschiedener<br />

konkurrierender Modernisierungsprojekte wurden: auf der einen Seite die katholische<br />

Kirche, die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil die »Re-Evangelisierung«<br />

der Indígenas anstrebte, teils <strong>mit</strong> einem befreiungstheologischen Ansatz,<br />

der anschlussfähig war an die Programmatik der linksgerichteten Guerillaverbände;<br />

auf der anderen Seite evangelikale Sekten, die – oftmals unterstützt von<br />

den rechten Militärregierungen – in den Gemeinden missionierten und eine extrem<br />

konformistische Ideologie verfochten. 13 Als die Guerilla Ende der 1970er<br />

Jahre immer stärkere Unterstützung, gewann, reagierte die Armee <strong>mit</strong> einer Politik<br />

der verbrannten Erde gegen deren vermeintliche zivile Basis, bis der Bürger-<br />

12 »Female control of consumption [...] implies an extension of power outside of the household as well. […] Male<br />

and female roles in production are perceived as complementary and are accorded equal value.« (Wilson: 42, vgl.<br />

auch Siebers: 9).<br />

13 Für eine sozialpsychologische Analyse und <strong>Kritik</strong> dieser Sekten in Ecuador vgl. Rohr 1991, für eine kritische<br />

Analyse des Zweiten Vatikanischen Konzils: Lorenzer 1981.<br />

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