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Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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In dem Beitrag von Heinz-Jürgen Voß werden, exemplarisch am Beispiel der<br />

Naturwissenschaft Biologie, feministische Wissenschaftskritiken in den Blick genommen.<br />

Seit Mitte des 19. Jh., an deutschen Universitäten seit Anfang des<br />

20. Jh., haben Frauen die Möglichkeit, sich an Universitäten regulär zu immatrikulieren<br />

– ein Recht, welches zuvor allein Männern vorbehalten war. Vor diesem<br />

Hintergrund wird die androzentrische Prägung moderner westlicher Wissenschaften<br />

thematisiert, die sich bis heute in Strukturen, <strong>Methode</strong>n und Inhalten darstellt<br />

und immer wieder von neuem hergestellt wird. Konfrontiert wird diese Bestandsaufnahme<br />

<strong>mit</strong> Visionen, die feministische WissenschaftskritikerInnen für eine<br />

zukünftige Wissenschaft formuliert haben. Voß macht verdeutlicht die Notwendigkeit,<br />

sich stets der androzentrischen Prägung moderner westlicher Wissenschaft<br />

im Forschungsprozess bewusst zu werden und feministische Wissenschaftskritiken<br />

als <strong>Methode</strong> der Analyse in den eigenen Forschungsprozess zu<br />

integrieren.<br />

Im dritten Beitrag dieses Kapitels stellt Irina Sch<strong>mit</strong>t die methodische Reflexion<br />

einer eigenen Forschungsarbeit <strong>mit</strong> Jugendlichen vor dem Hintergrund der<br />

Bedeutung von Gender-Geschlecht-Sexualität dar. Selbst Essentialisierungen von<br />

Geschlecht in Frage stellend, sah sich Sch<strong>mit</strong>t <strong>mit</strong> einer heteronormativen Prägung<br />

des Feldes konfrontiert. Sie musste abwägen, wie sie sich selbst verortete,<br />

da die Jugendlichen auch von ihr als Forscherin eine Positionierung zu Gender-<br />

Geschlecht-Sexualität erwarteten. Sch<strong>mit</strong>t vollzieht den Forschungsprozess nach<br />

und wägt zwischen einer zurückhaltenden Verortung und Möglichkeiten der eigenen<br />

Positionierung der Forschenden als Bestandteil heteronormativitätskritischer,<br />

queerer und dekonstruktivistischer Methodologie ab. Dabei verweist sie auch auf<br />

mögliche institutionelle Begrenzungen im Kontext universitärer Forschung.<br />

Antonia Davidovic hinterfragt in ihrem Artikel die <strong>Methode</strong>n der Archäologie.<br />

Sie betont in Anschluss an Latour, dass <strong>Methode</strong>n als Aktanten den Forschungsprozess<br />

beeinflussen. <strong>Methode</strong>n sind Teil eines Übersetzungsprozesses, denn sie<br />

transformieren das Ausgangsmaterial in Papier, in Statistiken, in Tabellen, und sie<br />

sind soziale Praxis, da immer in sozialen Interaktionen eingebettet. Da<strong>mit</strong> sind sie<br />

zugleich situationsabhängig, weil soziale Interaktionen immer auch eine konkrete<br />

Lokalisierung haben. Als tacit knowledge sie sind <strong>mit</strong> implizitem, nicht festschreibbarem<br />

Wissen verbunden, das man braucht, um die <strong>Methode</strong>n überhaupt<br />

ausführen zu können. Entsprechend ist zu überlegen, was durch welche <strong>Methode</strong><br />

abbildbar wird und was verborgen bleibt. Mit diesem kritischen Blick können<br />

Konstruktionsleistungen der Archäologie, bspw. bei der ›Entdeckung‹ untergegangener<br />

›Ethnien‹ kritisiert werden.<br />

Der vierte Teil schließlich entfernt sich vom <strong>Methode</strong>nbegriff der empirischen<br />

Sozialforschung. Dem klassischen <strong>Methode</strong>nverständnis entzieht sich die Dialektik,<br />

indem sie gleichsam ›aus der Sache selbst‹ (Hegel) Begriff und <strong>Kritik</strong> ableitet.<br />

Welche Probleme einer gesellschaftswissenschaftlich relevanten Dialektik es<br />

zu berücksichtigen gilt, untersucht Stefan Müller in seinem Beitrag. Er kommt zu<br />

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