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Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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mische Aspekt besagt, dass Spannungen und Triebe bearbeitet und verschoben,<br />

aber nicht zerstört werden können. Dies kann in den unterschiedlichsten Formen<br />

von sofortiger Befriedigung bis zur Verdrängung oder Sublimierung geschehen.<br />

Ein wichtiges Charakteristikum, welches von den meisten psychoanalytischen<br />

Schulen geteilt wird, ist der Fokus auf die Kindheit 3 und die Einteilung der Entwicklung<br />

vom Kind zum Erwachsenen in festgelegten Entwicklungsstufen: Nach<br />

der oralen und der analen Phase folgt die phallische Phase, in welcher der Ödipuskomplex<br />

entwickelt und überwunden wird, daraufhin gibt es eine lange Latenzphase,<br />

schließlich die Adoleszenz (genitale Phase), in welcher Defizite und unzureichend<br />

verarbeitete Konflikte aus der frühen Kindheit, nun im außerfamiliären<br />

Bereich, wieder auftauchen und neu bearbeitet werden können. Der Schwerpunkt<br />

liegt auf der psychosexuellen Entwicklung. Bedeutend ist die zentrale Annahme,<br />

dass der Kindheitsverlauf den Charakter und die Handlungsmöglichkeiten des Erwachsenen<br />

entscheidend vorstrukturiert. Die Hauptrolle spielt die Überwindung<br />

des Ödipuskomplexes und die Bildung des Über-Ichs, um infantile Triebe zu<br />

überwinden und gesellschaftliche Anforderungen angemessen zu erfüllen, indem<br />

soziale Normen verinnerlicht werden. Anschließende Konzepte 4 relativieren das<br />

Ausmaß der frühkindlichen Strukturierung, indem die Adoleszenz als zweite<br />

Chance der Triebverarbeitung gedacht und erstere nur wirksam wird, wenn diese<br />

Chance nicht »genutzt« wird.<br />

Da der Ödipuskomplex und die <strong>mit</strong> seiner Überwindung einhergehende Über-<br />

Ich-Bildung in vielen psychoanalytischen Theorien und Adaptionen eine zentrale<br />

Rolle spielt, wird er hier ausführlicher betrachtet.<br />

Die Mutterbindung als erste Objektbesetzung in der präödipalen Phase wird<br />

nach Freud allmählich ergänzt durch die Herausbildung einer Identifizierung <strong>mit</strong><br />

dem Vater: Der Junge identifiziert sich in der gesellschaftlich vorherrschenden<br />

Form <strong>mit</strong> dem Vater (bzw. der Vater-Figur) und organisiert seine Triebstruktur in<br />

die Richtung, deren Objekt die Mutter ist. Der Vater erscheint bei dieser Objektbesetzung<br />

der Mutter allmählich als Hindernis, als Konkurrent; dies ist die klassische<br />

Ödipuskonstellation. Das Mädchen dagegen leidet unter ihrem Penismangel<br />

und entwickelt einen Penisneid auf den Vater, auf den sie nun ihre Zuwendung<br />

richtet, während sie sich von ihrer als »unvollständig« wahrgenommenen Mutter<br />

abwendet. Der Penisneid wird schließlich zu dem Wunsch, vom Vater ein Kind zu<br />

bekommen (am besten einen Jungen <strong>mit</strong> dem »lang ersehnten« Penis), wofür nun<br />

die Mutter ein Hindernis ist. Am Rande sei bemerkt, dass dies nur die Darstellung<br />

des einfachen Ödipuskomplexes ist, wie er allgemein rezipiert wird, der Komplex<br />

3 Eine Abwendung von dem Fokus auf die frühe Kindheit mündet bei Karen Horney im anderen Extrem, wie<br />

Adorno feststellt: Mit ihrer Weigerung, sich auf die Vergangenheit einzulassen, »müßte man am Ende alles eliminieren,<br />

was über un<strong>mit</strong>telbare Präsenz hinausgeht und da<strong>mit</strong> alles, was das Ich konstituiert. Das Kurierte wäre<br />

nichts mehr als ein Brennpunkt von bedingten Reflexen« (Adorno 2003b: 34).<br />

4 Auf diese Konzepte bezieht sich auch der Ethnopsychoanalytiker Mario Erdheim, vgl. Erdheim (2007: 1 f.);<br />

Thomä/Kächele (1988: 115).<br />

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