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Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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cault 1997: 13)? Die Rekonstruktion der Wirklichkeit ist jedenfalls perspektivisch.<br />

Es kann also nicht (mehr) darum gehen, die Wirklichkeitsebene aufzufinden,<br />

die der Wahrheit näher ist oder die Wirklichkeit in letzter Instanz determiniert.<br />

Stattdessen kann es nur darum gehen, Analyseebenen zu isolieren, um<br />

bestimmte Fragen stellen zu können.<br />

(1.2) Die Dekonstruktion der epistemischen Gewissheiten hat erst die Frage<br />

nach der Formation von diskursiven Wissensfeldern eröffnet. Dieser erkenntnistheoretische<br />

Akt ist aber zugleich das zentrale Problem der Wissensarchäologie.<br />

Wie sollen nun Rekonstruktionskriterien bestimmt werden? Es bedarf neuer Prämissen,<br />

nun: diskurstheoretischer Begriffe, die die Analysepraxis anleiten. Denn<br />

die WissensarchäologInnen werden maßlos überfordert, wenn sie von der Arbeitshypothese<br />

ausgehen, dass alle Aussagen frei und ungeordnet im Raum des Diskursiven<br />

verstreut seien (Foucault 1997: 34) und es gelte, ihre Strukturprinzipien<br />

aufzudecken. Die tradierten Ordnungsprinzipen (Idee, Epoche, wissenschaftliche<br />

Disziplin, Paradigma etc.) werden insofern verworfen, als zu ihnen eine methodisch-kritische<br />

Distanz eingenommen wird. Dennoch können sie in der konkreten<br />

Diskursanalyse als Kontrastfolien für einen ersten Zugang dienlich sein und so<br />

Orientierungsstützen bieten.<br />

Sich von diesen Ordnungsmustern absetzend, formuliert Foucault ein begrifflich-diskurstheoretisches<br />

Raster. Vier Bereiche werden angegeben, in denen die<br />

Formierung der Wissensfelder stattfindet: die Gegenstandskonstruktion, die Äußerungsmodalitäten<br />

des Subjekts, die strukturierenden Begriffe und die möglichen<br />

Strategien. Ich denke nicht, dass <strong>mit</strong> diesen Begriffen eine schlüssige oder gar abgeschlossene<br />

Diskurstheorie <strong>mit</strong>geliefert ist oder von Foucault überhaupt intendiert<br />

wurde. 2 Stattdessen sind es eher Orientierungspunkte der Rekonstruktion.<br />

Foucault verweist selbst auf die divergierenden Ausgangspunkte seiner Studien.<br />

Die je besondere Fragestellung (und ihre Perspektivität) muss daher vorgeben,<br />

welches die angelegten Begriffsraster sein werden. Das Forschungsinteresse muss<br />

darüber entscheiden, ob die Rekonstruktion entlang eines Begriffes, eines Gegenstandfeldes,<br />

einer Strategie der Wahrheitsproduktion oder etwas Anderem verläuft.<br />

Das Forschungsinteresse, der zeitliche Untersuchungsrahmen und die theoretischen<br />

Orientierungsstützen sollen flexibel angelegt sein, um auf die (abduktive)<br />

Entdeckung von Unerwartetem reagieren zu können. Da sich im Forschungsprozess<br />

solche Entdeckungen in Form schwacher Ahnungen zeigen, ist eine detektivische<br />

Haltung notwendig. Für das Erspähen schwacher Spuren ist eine »starke«<br />

Diskurstheorie kontraproduktiv. Die Abschwächung oder Dezentrierung der Theorie<br />

zielt auf das, was J. Reichertz (1995: 279) bezüglich der qualitativen Sozialforschung<br />

»die Ausschaltung des bewußt kontrollierenden und planenden Verstandes«<br />

bezeichnet.<br />

2 Anderer Meinung ist diesbezüglich R. Diaz-Bone, der davon ausgeht, dass durch die diskursive Praxis eine Vernetzung<br />

der diskursformierenden Elemente hergestellt wird und dadurch ein Systemcharakter erzeugt wird.<br />

Diese Tiefenstruktur zu erarbeiten, wäre dann die Aufgabe der Diskursanalyse (Diaz-Bone 2007: 25).<br />

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