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Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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dem der Nonkonfor<strong>mit</strong>ät, zu begnügen. Spezifische Intellektuelle, die sich in<br />

Macht-Wissens-Regimen bewegen (müssen) und <strong>mit</strong> entmündigenden Praktiken<br />

und Institutionen konfrontiert sind, können in diese Macht-Wissens-Regime nur<br />

effektiv intervenieren, wenn sie andere Praktiken entwerfen. Diese können durchaus<br />

eine offene, moralisch unterbestimmte Programmatik enthalten, also nichtdirektiv<br />

sein. Dennoch sollte ein kritischer Bezug zu herrschenden gesellschaftlichen<br />

Praktiken und Praxisfeldern erfunden, ausgearbeitet und umgesetzt werden.<br />

Dieser Herausforderung zur Explizierung und dialogischen Entwicklung des normativen<br />

Standorts und Praxisbezugs sollten sich die ForscherInnen stellen. Die<br />

Bestimmung einer normativen Haltung würde so nicht präskriptiv, sondern dialogisch<br />

gefasst. Dies folgt m. E. aus einer Sozialwissenschaft, die die Unhintergehbarkeit<br />

der Perspektivität anerkennt.<br />

(2) Die kritische Haltung zur Vergangenheit muss, aufgrund der Einsicht in den<br />

produktiven Aspekt der Macht, durch eine experimentelle Haltung zur Gegenwart<br />

ergänzt werden. Diese sollte aber nicht, wie manche Aussagen Foucaults nahe legen,<br />

auf eine private Beziehungsebene begrenzt sein. Die Möglichkeit einer ästhetischen<br />

Gestaltung der Existenz sollte sich auch auf Bereiche beziehen, in denen<br />

ihre Umsetzung erschwert ist, weil dort präskriptive Regelwerke und versteinerte<br />

Machträume fortwirken.<br />

(3) Dies verlangt auch einen selbstkritischen Umgang von SozialwissenschaftlerInnen<br />

<strong>mit</strong> ihren eigenen Praktiken der Wissensproduktion. Auch die Produzenten<br />

von Diskursen über Diskurse produzieren problematische Wissensverhältnisse<br />

innerhalb gesellschaftlicher Praxen und sozialer Bewegungen. Der Verzicht auf<br />

präskriptive, universalistische Normen und das Aufzeigen der historischen Kontingenz<br />

von Gewordenem bieten keine Garantie dafür, nicht neue Alternitäts-<br />

Subalternitätsverhältnisse zu produzieren. Unter Subalternität verstehe ich die<br />

eingeschränkte Möglichkeit zur Teilhabe an Wissensbildung und Entscheidungsfindung.<br />

Kritische SozialwissenschaftlerInnen unterliegen in ihrer Praxis dem<br />

stillen Zwang, sich an der »scientific community« zu orientieren und sich als ExpertInnen<br />

zu inszenieren. Dadurch laufen sie Gefahr, in ihrem sozialen Engagement,<br />

in der Teilhabe an sozialen Bewegungen und in der öffentlichen Kommunikation<br />

einen ExpertInnenstatus zu (re-)produzieren. Fachsprache kann dann<br />

Ausschließungs- und Machteffekte produzieren. Die Darstellungspraxis wissenschaftlicher<br />

Ergebnisse in der Öffentlichkeit sollte m. E. kritisch reflektiert werden.<br />

Denn wenn <strong>Kritik</strong> die Kunst ist »nicht so, nicht dermaßen, nicht um diesen<br />

Preis regiert zu werden« (Foucault 1992: 52), dann ist <strong>Kritik</strong> auch eine <strong>Kritik</strong> der<br />

Expertenkultur und notwendig auch Selbstkritik.<br />

(4) Foucault vermutet kein Problem in der Verlagerung der Kämpfe ins Lokale<br />

und deren Vervielfältigung. Er begrüßt diese Entwicklung ausdrücklich, weil sie<br />

konkrete Errungenschaften befördere und der Gefahr großer utopischer Gegenentwürfe<br />

zum Bestehenden, die in der Vergangenheit totalitäre Herrschaftsideologien<br />

und -apparate befördert haben, entgeht. Er verzichtet auf die Formulierung eines<br />

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