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Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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Zum Interviewzeitpunkt hatte die Familie seit kurzem eine eigene Wohnung<br />

bezogen. Das Interview fand in der Wohnung der GesprächspartnerInnen statt und<br />

wurde <strong>mit</strong> einem MP3-Player aufgezeichnet. Das Ehepaar Seyan sowie ihre drei<br />

Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter waren die ganze Zeit anwesend.<br />

Die praktische Deutungsarbeit wurde in einer kleineren Gruppe <strong>mit</strong> sechs TeilnehmerInnen<br />

aus dem universitären Umfeld geleistet; alle Beteiligten sind in<br />

Deutschland geboren und aufgewachsen. Die Gruppen<strong>mit</strong>glieder kommen regelmäßig<br />

zu einem 1 1/ 2-stündigen Treffen zusammen und sind sich zumindest im<br />

Rahmen der Deutungswerkstatt bekannt. Einführend erhielten die Anwesenden<br />

die Information, dass die Familie Seyan aufgrund der Traumatisierungen des Familienvaters<br />

einige Jahre gemeinsam in einem Haus des EPZ gewohnt hatte und<br />

nun in einer eigenen Wohnung lebt.<br />

Zunächst wurde das Interviewmaterial laut gelesen, dann erfolgte eine assoziative<br />

Gruppendiskussion. Dabei zeigte sich, als erste Reaktion, dass viele TeilnehmerInnen<br />

Mühe hatten, sich auf den Text einzulassen. Ein Teilnehmer sagte, dass<br />

die Schwierigkeiten, die die Familie Seyan zum Teil <strong>mit</strong> der deutschen Sprache<br />

hat (fehlende Vokabeln und grammatikalische Fehler), die Leseerfahrung stark<br />

beeinträchtigten und er sich sehr auf den Text konzentrieren musste. Um einen<br />

einfacheren Zugang zum Material zu schaffen, aber auch, um die prozesshafte<br />

Dynamik des Interpretationsprozesses zu verdeutlichen, habe ich mich dazu entschieden,<br />

den Gesprächsausschnitt an dieser Stelle nicht en bloc, sondern in zwei<br />

kleineren Abschnitten zu präsentieren und abschnittsweise die einzelnen Schritte<br />

nachzuzeichnen. Die hier angeführten Deutungen und Interpretationswege sollen<br />

die assoziative Arbeit der <strong>Methode</strong> verdeutlichen. Sie stellen einen der vielen<br />

möglichen Zugänge dar und haben einen exemplarischen Charakter.<br />

4.1. Gespräch <strong>mit</strong> Familie Seyan (Ausschnitt 1):<br />

I: 5 … und deshalb möchte ich auch gerne <strong>mit</strong> Ihnen sprechen… was war gut, was<br />

war schlecht in der Friedrichstrasse, was war gut <strong>mit</strong> Herrn Ammadeh, was war<br />

schlecht… ja?<br />

Frau S: Auch, ja! Also, Mr Ammadeh, Mrs Becker (klatscht in die Hände), keine<br />

Probleme, das ist sehr gut! Bei mir und meine Familie das ist sehr gut! Sehr helfen<br />

bei mir und meine Kinder und meine Mann auch … Vielleicht 2 Jahre ich bin da<br />

und Frau Becker, ihre da… ihre andere Chef … nach 1 Jahr vielleicht Herr Ammadeh<br />

kommt … Das auch sehr sehr gut! Und Ammadeh auch, das ist sehr sehr<br />

gut! Viel helfen bei mir und meine Kinder auch und meine Mann, das ist …<br />

Herr S (unterbricht): Bei mir Herr Ammadeh ist schle …<br />

5 Die Namen aller beteiligten Personen und Aufenthaltsorte wurden geändert: Die Friedrichstrasse gilt hier als<br />

Adresse des EPZ. Herr Ammadeh und Frau Becker sind die ehemaligen Betreuer der Familie im EPZ. Alle anderen<br />

Namen erschließen sich aus dem Textzusammenhang.<br />

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