Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung
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2.3. Der Zugang zu den Lagern<br />
Direkten Zugang zu den Heimen bekam ich durch unterschiedliche Strategien. In<br />
dem genauer untersuchten Lager in Berlin und in einem der beiden in Brandenburg<br />
erhielt ich Zugang über eine engagierte Sozialarbeiterin und einen Heimleiter,<br />
die meine Arbeit und Zielsetzung unterstützen. Ihnen waren die Entnennung<br />
der unmenschlichen Folgen der Lagerunterbringung und die dadurch entstehenden<br />
Leerstellen in den öffentlichen Diskursen bewusst. Sie hatten ein aus ihrem<br />
Engagement erklärbares Interesse, die Zustände struktureller Entrechtung und deren<br />
subjektive Folgen in den Lagern wissenschaftlich erheben zu lassen und versprachen<br />
sich aus einer solchen Arbeit eine Verbesserung der Lebenssituation der<br />
zwangsweisen BewohnerInnen. Zu dem zweiten ausgewählten Brandenburger<br />
Lager, einem der unmenschlichsten, weit versteckt hinter einem kleinen Dorf im<br />
Wald, bekam ich Zugang über Mitglieder der Flüchtlingsinitiative Brandenburg;<br />
sowohl Heimleitung als auch die zuständige Administration des Landkreises verweigerten<br />
jegliche Kooperation. Ähnliches widerfuhr mir häufig bei unangemeldeten<br />
Besuchen in anderen Heimen. Aufgrund der Verantwortlichkeit der Kommunen<br />
für die Lokalisierung der Lager und so<strong>mit</strong> auch für die besonders isolierte<br />
Lage der lokalen Lager sowie für das Einsetzen einer <strong>mit</strong> diesen Bedingungen kooperierenden<br />
Betreiberfirma, korrespondiert in der Regel das Nicht-Engagement<br />
der MitarbeiterInnen bzw. der Leitung <strong>mit</strong> dem Grad der Exklusion durch eine<br />
isolierte örtliche Lage. Die MitarbeiterInnen hatten aufgrund der offensichtlichen<br />
Inhumanität der Lagerbedingungen und ihrer Kooperation <strong>mit</strong> und dem Profitieren<br />
durch diese an einer Zusammenarbeit kein Interesse. Häufig verweigerten sie<br />
generell den Zugang. Dieser wurde dann nur über das Ansprechen von unbekannten<br />
BewohnerInnen auf ihrem Weg ins Lager möglich, die mich dann als ihren<br />
persönlichen Besucher <strong>mit</strong> hinein nehmen konnten.<br />
Aufgrund dieser strukturellen Zugangsbarrieren versuchten wir im Rahmen der<br />
Erhebungsfahrt durch die Heime Brandenburgs und Berlins als erstes, unbemerkt<br />
in die Lager zu kommen, um so direkt <strong>mit</strong> den BewohnerInnen sprechen zu können.<br />
Die Lager sind zwar in der Regel umzäunt und <strong>mit</strong> einem Wachhäuschen versehen,<br />
doch da die Lager oft so versteckt sind, dass sowieso keine unerwarteten<br />
BesucherInnen vorbei kommen, waren diese häufig tagsüber nicht besetzt. Mit<br />
der Leitung bzw. den SozialarbeiterInnen sprachen wir in der Regel am Schluss.<br />
Wurden Einlasskontrollen durchgeführt, legten wir der Leitung unser Anliegen<br />
dar, woraufhin wir in ca. der Hälfte der Fälle ungestört <strong>mit</strong> den BewohnerInnen<br />
sprechen durften; die andere Hälfte der Einrichtungen verweigerte uns dies <strong>mit</strong><br />
der Begründung, für ein Gespräch bräuchten wir eine Voranmeldung und eine Erlaubnis<br />
der zuständigen Administration. Ein unangemeldetes und unkontrolliertes<br />
Sprechen <strong>mit</strong> den BewohnerInnen war offensichtlich nicht erwünscht. Da den BewohnerInnen<br />
private Besuche nicht verweigert werden dürfen, kamen wir in diesen<br />
Fällen über die oben beschriebene Strategie in die Lager hinein und konnten<br />
so <strong>mit</strong> den BewohnerInnen über die Lagerbedingungen reden.<br />
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