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Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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indem von Dispositivanalyse, Genealogie oder Machtanalytik gesprochen wird.<br />

Macht ist für Foucault ein heuristischer Begriff, unter dem er ein produktives<br />

Geflecht von Machtbeziehungen versteht. In solchen Machtnetzen werden strategische<br />

Imperative subjektiv absichtsvoll eingesetzt, sind aber in der Gesamtausrichtung<br />

nicht von einzelnen (individuellen oder kollektiven) Subjekten kontrollierbar:<br />

»Weder die regierende Kaste noch die Gruppen, die die Staatsapparate<br />

kontrollieren, noch diejenigen, die die wichtigsten ökonomischen Entscheidungen<br />

treffen, haben das gesamte Macht- und da<strong>mit</strong> Funktionsnetz einer Gesellschaft in<br />

der Hand. Die Rationalität der Macht ist die Rationalität von Taktiken, [...] die<br />

sich <strong>mit</strong>einander verketten, einander gegenseitig hervorrufen und ausbreiten, anderswo<br />

ihre Stütze und Bedingung finden und schließlich zu Gesamtdispositiven<br />

führen.« (Foucault 1983: 95)<br />

Der Begriff des Dispositivs objektiviert ein Ineinandergreifen von Praktiken<br />

der Wissensproduktion und Praktiken der Behandlung von Subjekten, der Intervention<br />

in und Regulation von sozialen Praxisfeldern. 5 »Neue« Programmatiken<br />

bemächtigen sich existierender Regulierungsapparate, sowie der Apparate der<br />

Wissensdistribution, um ausgestattet <strong>mit</strong> »neuem Wissen« das gesellschaftliche<br />

Feld der Machtbeziehungen neu zu strukturieren. Von hier lässt sich dann untersuchen,<br />

wie wiederum die diskursive Produktion von Wissen veränderten institutionellen<br />

Ordnungen und innerdiskursiven Regeln unterliegt. Der Dispositivbegriff<br />

enthält keine Festlegung auf die Mikro-, Meso- oder Makroebene, sondern versucht<br />

diese zu verknüpfen. Das Interessante am Dispositivbegriff – und darin unterscheidet<br />

er sich von anderen Forschungsansätzen, wie der ökonomischen Formationsanalyse<br />

oder der Institutionenanalyse – ist, dass er quer zu Institutionen und<br />

Wissensfeldern liegt. Durch den Versuch die »großen anonymen Strategien«,<br />

welche sich nicht-intendiert aus einer Reihe von Strategien ergeben, zu rekonstruieren,<br />

eröffnet sich die Möglichkeit, die Komplexität moderner Vergesellschaftungsprozesse<br />

in perspektivischen Ausschnitten zu erfassen. Studien wie Überwachen<br />

und Strafen, Der Wille zum Wissen und Geschichte der Gouvernementalität<br />

sind heuristisch an sozialpraktischen Künsten der Macht – an Technologien des<br />

Selbst, Praktiken der Bevölkerungsregulation, Techniken der Gestaltung städtischen<br />

Lebens, Interventionsformen zur Regulation des Ökonomischen und Sozialen<br />

etc. – interessiert. Aber methodisch bleiben die Arbeiten dennoch vorwiegend<br />

der Ebene der Diskursanalyse verhaftet. Zumindest hat Foucault für die Dispositivanalyse<br />

kein explizites Forschungsprogramm ausformuliert. Es gibt also kein<br />

dispositivanalytisches Pendant zu dem, was für die Diskursanalyse Die Archäologie<br />

des Wissens ist. Allerdings lassen sich aus den Schriften Foucaults Orientierungspunkte<br />

für eine Rekonstruktion von Dispositiven herauslesen. So hat bspw.<br />

A. Bührmann aus der Lektüre von Überwachen und Strafen vier Orientierungs-<br />

5 Einführend zu Dispositivbegriff und -analyse: Jäger (2001); Schneider/Hirseland (2005); Bührmann/Schneider<br />

(2007)<br />

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