09.11.2012 Aufrufe

Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

ein immer besser eingespieltes Zweierteam. Durch unser gemeinsames Auftreten<br />

und die Vorstellung unserer Herkunft und Absicht bei den Interviews, in denen<br />

sich mein Begleiter als Heimbewohner und Aktivist gegen die Lagerbedingungen<br />

vorstellte, konnten wir in der Regel schnell die Distanz der BewohnerInnen zu<br />

meinen Fragen nach der Situation und den Problemen aufbrechen. Nach Überwindung<br />

der Distanz folgte in der Regel die gegenteilige Reaktion. Da ich nun als<br />

außerhalb des Heimes stehender und <strong>mit</strong> universitärem Wissen und Macht ausgestatteter<br />

weißer Wissenschaftler gesehen wurde, der auf der Seite der BewohnerInnen<br />

stand, hatten diese meist ein sehr großes Interesse, ihre Geschichte jemandem<br />

zu erzählen, der diese auch aus dem markierten und entrechteten Bereich des<br />

Sozialraums Lager tragen konnte. Ich wurde die personifizierte kritische Außenwelt,<br />

die es in der Regel in ihrem bisherigen Lagerleben nicht gab. Das Gespräch<br />

<strong>mit</strong> mir wurde so als Möglichkeit gesehen, die symbolischen wie materiellen Barrieren,<br />

die um das Lager als Ort der gesellschaftlichen Exklusion gezogen sind,<br />

zumindest partiell zu durchbrechen. So nahmen die Interviews in der Regel eine<br />

lange Zeit in Anspruch, da ich aus meiner Perspektive nur zuhören und <strong>mit</strong> Fragen<br />

in bestimmte Richtungen lenken konnte, jedoch nicht das Erzählen einer Lebensund<br />

Leidensgeschichte als für meine Arbeit unrelevant abbrechen konnte. Teilweise<br />

wurden <strong>mit</strong> dem Sprechen über die eigene Situation von mir nicht erfüllbare<br />

Hoffnungen verbunden, ihnen aus ihrer Situation zu helfen.<br />

Im Rahmen der Interviews <strong>mit</strong> den BewohnerInnen zeigte sich eine weitere<br />

symbolische Barriere: das generelle Problem der Verständigung aufgrund der unterschiedlichen<br />

Sprachen. Wir führten die Interviews in Englisch oder Französisch;<br />

<strong>mit</strong> Menschen, die dieser Sprachen nicht mächtig waren, in mehr oder weniger<br />

verständlichem Deutsch. Teilweise übersetzten die anwesenden Kinder und<br />

Jugendlichen, da diese in die nahe gelegenen Schulen gehen und so<strong>mit</strong> Deutsch<br />

lernen. Mit einigen konnten wir uns jedoch gar nicht verständigen. Deutsch ist in<br />

der Regel die Lagersprache; es muss sowohl für die Kommunikation <strong>mit</strong> den MitarbeiterInnen<br />

als auch <strong>mit</strong> der Umgebungsgesellschaft angeeignet werden. Diese<br />

notwendigen Deutschkenntnisse eignen sich die BewohnerInnen gegen alle<br />

Bemühungen des Staates an, denn Sprachkurse und da<strong>mit</strong> eine ›Integration‹ in die<br />

Umgebungsgesellschaft sind für MigrantInnen <strong>mit</strong> einem prekären Aufenthalt<br />

nicht vorgesehen, auch wenn sie 10 oder gar 15 Jahre in einem Lager im Wald<br />

leben müssen.<br />

2.5. Barrieren bei der Datenerhebung<br />

Aufgrund meiner nur kurzen Anwesenheit in den Lagern und meiner von außen<br />

kommenden Position konnte ich die im Rahmen der Erhebungsfahrt geführten Interviews<br />

nur protokollieren. Ein Aufzeichnen der Interviews durch eine Person,<br />

die die BewohnerInnen zum ersten Mal sahen, war nicht möglich, es überwog die<br />

Distanz und Vorsicht gegenüber Deutschen, von denen die Repressionen der Ent-<br />

120

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!