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Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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ieren.« 7 Diese Indifferenz gegenüber dem Gegenstand von Texten ist aus dem<br />

Grund sinnvoll, da die Wahrheit oder Unwahrheit eines Textes nicht erklären<br />

kann, welche Effekte er erzielen wird. Natürlich kann sich selbst positioniert werden<br />

und beispielsweise auf die Falschheit einer Behauptung hingewiesen werden.<br />

Was für den untersuchten Fall jedoch selbst wichtig ist, sind die von ihm jeweils<br />

fallspezifisch getroffenen Entscheidungen wie auf eine Aussage, Handlung etc.<br />

Bezug genommen wird und welchen Status sie erlangt. Um die Rekonstruktion<br />

und detaillierte Herausarbeitung der Art und Weise, wie sich eine Sinnstruktur<br />

aufbaut – wie also beispielsweise Zeitungsartikel ihre Perspektive entfalten, Interaktionen<br />

ihre Handlungsabläufe organisieren, Parteiprogramme politisch zu lösende<br />

Probleme ausfindig machen etc. –, geht es der Objektiven Hermeneutik und<br />

nicht einfach um die schlichte Behauptung der Falschheit bzw. Richtigkeit eines<br />

Textes. Aus diesem Grund formuliert die Objektive Hermeneutik die Anforderung<br />

an die <strong>mit</strong> dieser <strong>Methode</strong> arbeitenden Forscherinnen, die analysierten Texte<br />

tatsächlich ernst zu nehmen und nicht auf etwas Anderes zu reduzieren.<br />

1.3. Zur Sequentialität von latenten Sinnstrukturen<br />

Die oben vorgestellten Konzepte werden konkretisiert, indem die Zeitdimension<br />

<strong>mit</strong> in die Betrachtung eingeführt und danach gefragt wird, wie sich die objektiven<br />

Text- bzw. Sinnstrukturen in der Zeit faktisch aufbauen bzw. wie ihre sequentielle<br />

Anordnung strukturiert ist. Hier erlangt der Begriff der »Sequentialität« eine<br />

entscheidende Bedeutung und die daran gekoppelten Vorstellungen von Selektivität<br />

und einem rekonstruktiven methodischen Zugriff.<br />

Um sich diese Begrifflichkeiten zu verdeutlichen, denke man zunächst daran,<br />

ein leeres Blatt Papier vor sich liegen zu haben. Man kann sich nun entscheiden<br />

einen Stift in die Hand zu nehmen – sofern vorhanden –, um auf dem Papier etwas<br />

zu schreiben. Man hat – wenn man sich dafür entscheidet – aus einem Raum von<br />

Möglichkeiten eine Auswahl getroffen, die auch hätte anders sein können. Man<br />

hätte auch genauso gut <strong>mit</strong> dem Stift etwas zeichnen können. Oder es hätte genauso<br />

gut überhaupt kein Stift zur Hand genommen werden können. Das Papier<br />

hätte einfach auch zerknüllt und weggeworfen werden können. Oder man hätte<br />

daraus auch einen Seemannshut basteln können etc. Diese Alternativen wurden<br />

aber nicht gewählt, d. h. man hat sich eingeschränkt und etwas Bestimmtes ausgewählt.<br />

Zugleich öffnen sich nach dieser Auswahl, die immer auch eine Einschrän-<br />

7 Dieser Gedanke hat auch Auswirkungen auf die Datenerhebung (s. dazu auch unten). So werden standardisierte<br />

Befragungen und ethnographische Protokolle als ungeeignete Datengrundlage angesehen, da sie zu stark der Selektivität<br />

der Forscherin Platz lassen (vgl. Oevermann 1981: 45 f.). Interviews stellen hingegen einen Grenzfall<br />

dar. Demnach würde man das Interview nicht – wie es häufig geschieht – als Informationsquelle für etwas Anderes<br />

benutzen (was natürlich auch sinnvoll sein kann), sondern die semantischen Formen, welche im Interview<br />

selbst zum Einsatz kommen und dessen Verlauf bzw. Dynamik analysieren: »Für den objektiven Hermeneuten<br />

sind solche wörtlichen Protokolle von Interviews primär Protokolle von Interaktionen zwischen dem Interviewer<br />

und dem Interviewten« (ebd.: 46) und dementsprechend als solche zu analysieren.<br />

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