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Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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Mitgefühl für Herrn Seyan bei ihm auslöste. Eine weitere Teilnehmerin schließt<br />

sich zuerst diesem Empfinden an, sagte aber, dass sich ihr Gefühl beim tieferen<br />

Einlassen auf den Text verwandelt habe, sie nun eher Frau Seyan verstehen könne.<br />

Es wäre ihr deutlich geworden, dass sich Herr Seyan tatsächlich oft nicht mehr erinnerte,<br />

Sachzusammenhänge nicht rekonstruieren konnte und in der Tat oft nicht<br />

verstand, wie ihm seine Frau mehrere Male vor Augen führte. Ein Teilnehmer<br />

wirft ein, dass er keine der beteiligten Personen ungebrochen sympathisch finden<br />

kann: »Die Stimmung zwischen den Leuten gerät beständig ins Wanken, kippt hin<br />

und her!«. Dieser Eindruck wird auch von anderen Gruppen<strong>mit</strong>gliedern geteilt<br />

und jemand schlägt vor, die beiden Personen, ihre Motivationen, Eigenschaften<br />

und möglichen Ängste genauer zu betrachten. Diese Idee wird von allen angenommen.<br />

Eine Teilnehmerin beschreibt daraufhin, dass Herr Seyan auf sie wie ein Mensch<br />

wirkt, der viel verloren habe, selbst nicht mehr viel darstelle. Eine andere ergänzt,<br />

dass er sich ihrer Meinung nach aufgrund seines gesundheitlichen Zustands in einem<br />

großen Netz von Abhängigkeiten befinde, die ihn zusätzlich entwerten. »Ja<br />

und auch in ihrer Beziehung … diese herablassenden Zwischenrufe seiner Frau!<br />

In der Beziehung gibt es keinen respektvollen Umgang mehr, keine Gleichstellung!«,<br />

wirft ein weiteres Gruppen<strong>mit</strong>glied ein. Die TeilnehmerInnen schließen<br />

sich zustimmend diesem Eindruck an. Eine der Anwesenden fasst zusammen,<br />

dass Herr Seyan auf seine Krankheit reduziert wird, auf seine »Problemrolle«.<br />

Seine Frau hindere ihn oft am Ausreden oder korrigiere seine Beiträge. Es sei ein<br />

ungleichgewichtiges Beziehungsverhältnis. Einem Teilnehmer fällt Ähnliches<br />

auch im Verhältnis zwischen Herrn Seyan und seinem Betreuer im EPZ – Herrn<br />

Ammadeh – auf und schlägt vor, sich einem anderen Textabschnitt zuzuwenden:<br />

4.3. Gespräch <strong>mit</strong> Familie Seyan (Ausschnitt 2):<br />

I: Und wenn Sie in der Friedrichstraße waren, wann sind Sie denn dann zu Frau<br />

Becker oder Herrn Ammadeh gegangen? Was wollten Sie <strong>mit</strong> Ihnen besprechen?<br />

Sind Sie gegangen, wenn Sie Probleme hatten oder … einfach zum Hallo-sagen<br />

oder …<br />

Frau S: Ich … äh …<br />

I: … wann sind Sie ins Büro gegangen?<br />

Herr S: Meist …<br />

Frau S (unterbricht): Äh … (fragt ihre Kinder nach einer Übersetzung des Satzes,<br />

die älteste Tochter übersetzt; Frau S antwortet wieder auf Deutsch:) Ja …alles,<br />

das ist immer, irgendwas geben immer. Wir gehen Büro, sprechen und lachen.<br />

Ja, Problem auch, sicher. Wir gehen Frau Becker fragen und Ammadeh fragen und<br />

kommen in mein Hause und schauen Kinder, schauen meine Mann …<br />

I: Ja … [Anmerk d. Verfasserin: im Folgenden geht es um einen Umzug der Familie<br />

innerhalb des Hauses vom EPZ]<br />

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