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Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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als auch auf die Heterogenität der Aussagen (gleichzeitige Differenzen, diachrone<br />

Umbrüche). Dieses forschungspraktische Interesse kann sich aber auch auf Wechselwirkungen<br />

zwischen unterschiedlichen Spezialdiskursen konzentrieren und interdiskursive<br />

Vergleiche anstellen. Bei intradiskursiven, wie bei interdiskursiven<br />

Analysen sollen Leitaussagen aufgedeckt werden. Aber auch Widersprüche, Paradoxien<br />

und/oder Kontingenzen innerhalb oder zwischen Aussagen sind für die<br />

Beschreibung von Diskursverläufen und hinsichtlich einer deutenden Erklärung<br />

von Diskurstransformationen von Relevanz. Aber genau bei dem Anspruch – über<br />

die archäologische Beschreibung hinaus – eine plausible Erklärung diskursiven<br />

Wandels liefern zu können, stößt das Forschungsprogramm der Diskursanalyse an<br />

seine Grenzen.<br />

(1.5) Obwohl Foucault feststellt, dass seine <strong>Methode</strong>n die klassischen historischen<br />

<strong>Methode</strong>n sind, 4 gibt es doch eine grundlegende Differenz zu diesen. Sie<br />

liegt darin, wie das Dokument behandelt wird. Die traditionelle Geschichtswissenschaft<br />

liest die historischen Quellen »als die Sprache einer jetzt zum Schweigen<br />

gebrachten Stimme [...], als deren zerbrechliche, glücklicherweise aber entzifferbare<br />

Spur« (Foucault 1997: 14). Im Unterschied dazu begreift die Diskursforschung<br />

diese Produkte als Monumente. Auf den kultur- und sozialwissenschaftlichen<br />

Rahmen angewandt, bedeutet dies, kulturelle Objektivationen nicht als<br />

Ausdruck des sozialen Wandels, sondern als Eingriff in sozialen Wandel zu interpretieren.<br />

Der Begriff des Monuments soll eine skeptische Haltung befördern: Die<br />

archäologische Beschreibung, so Foucault, interpretiert das Diskursive, nicht um<br />

eine Geschichte des Bezeichneten (Realgeschichte), sondern um eine Geschichte<br />

des Bezeichnens zu schreiben (Foucault 1997: 71 f.). Der Kurzschluss von der<br />

Praxis des Bezeichnens zum Bezeichneten, vom Dokument auf die historische<br />

Wirklichkeit oder vom Produkt der Kulturindustrie auf das Bewusstsein der Menschen<br />

soll vermieden werden. Das ideologiekritische Konzept der Präformation<br />

wird durch das der Performanz ersetzt. Dadurch eröffnet sich erst die entscheidende<br />

empirische Frage: Wie wirkt vorgegebenes Wissen auf die Subjekte von<br />

Diskursen und auf Akteure der sozialen Praxis? Performativ-zitatförmige Effekte<br />

auf die Subjekte von Diskursen können wissensarchäologisch nachgezeichnet<br />

werden. Die Effekte auf soziale (nicht-diskursive) Praxis – auf leiblich materialisierte<br />

AkteurInnen und ihre Handlungsroutinen, sowie auf konstituierte Praxisfelder<br />

und deren gesellschaftliche Ordnung – können <strong>mit</strong> dem diskursanalytischen<br />

Instrumentarium nicht untersucht werden. Ebenso wird die Relevanz nicht-diskursiver<br />

Praxis für die Praxis diskursiver Wissensproduktion im Rahmen der Ar-<br />

4 »Das Problem der Wahrheit dessen, was ich sage, ist für mich ein sehr schwieriges, ja sogar das zentrale Problem.<br />

[...] Gleichzeitig benutze ich jedoch ganz klassische <strong>Methode</strong>n: die Beweisführung oder zumindest das,<br />

was in historischen Zusammenhängen als Beweis gelten darf – Verweise auf Texte, Quellen, Autoritäten und die<br />

Herstellung von Bezügen zwischen Ideen und Tatsachen; Schemata, die ein Verständnis ermöglichen, oder Erklärungstypen.<br />

Nichts davon ist originell. Insoweit kann alles, was ich in meinen Büchern sage, verifiziert oder<br />

widerlegt werden [...]« (Foucault 1996: 28).<br />

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