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Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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Vor diesem Hintergrund meint die Differenzierung in restriktive/verallgemeinerte<br />

Handlungsfähigkeit eine in konkreten Forschungsprozessen zu verfolgende<br />

doppelte Fragerichtung: Die Begriffe orientieren einerseits darauf, konkrete Begründungszusammenhänge<br />

von Lebensproblematiken aufzuhellen, an deren Aufrechterhaltung<br />

die Betroffenen beteiligt sind (»Problemtheorien«), andererseits ist<br />

immer auch auszuloten, welche Möglichkeiten und Grade »in Richtung auf« die<br />

praktische Aufhebung von machtver<strong>mit</strong>telten Bedeutungskonstellationen vorhanden<br />

sind (»Lösungstheorien«). 21<br />

Vor diesem Hintergrund wird auch verständlicher, warum in EF/SF auch die<br />

Problem- oder Lösungstheorien <strong>mit</strong> den Betroffenen zu verhandeln sind und<br />

warum <strong>mit</strong> konkurrierenden Deutungen und »Widerstand« seitens der Mitforschenden<br />

zu rechnen ist: Problematische Handlungsweisen sind <strong>mit</strong> problematischen<br />

Sichtweisen auf die eigene Lebenssituation verbunden und, soweit sie zu<br />

Routinen verdichtet sind, bedroht eine alternative Deutung ein erreichtes Niveau<br />

von Handlungsfähigkeit. Soll aber eine EF realisiert werden, d. h., tatsächlich<br />

auch auf der Grundlage von Problem-/Lösungstheorien die eigene problematische<br />

Lebenspraxis umstrukturiert werden, müssen diese von den Betroffenen als plausibel<br />

zueigen gemacht werden. 22 Da<strong>mit</strong> möchte ich zur Frage nach dem Verhältnis<br />

von Theorien und Daten übergehen, das ersichtlich eine entscheidende Rolle im<br />

Verständigungsprozess zwischen Forscher/innen und Mitforschenden (und darüber<br />

hinaus: in der Debatte um wissenschaftliche Gütekriterien) über Problem-/<br />

Lösungstheorien spielt.<br />

3. Datenbezug von Theorien: Nachvollziehbarkeit<br />

und empirische Verankerung<br />

Aus dem geschilderten begrifflichen Verständnis des Psychischen hat sich als<br />

weitreichende methodologische Konsequenz ergeben, dass psychologische Theorien<br />

»einer empirischen Prüfung [i.S. einer Falsifizierung, KR] weder bedürftig<br />

noch fähig sind.« (Markard 2000: 240) Dies aus dem Grunde, dass Voraussetzung<br />

einer solchen empirischen Prüfung eine Aussageform in Bezug auf real kontingente<br />

Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge ist. 23 Bei solchen Zusammenhängen<br />

»[erlaubt] die Kenntnis der Ausgangsbedingungen ›Vorhersagen‹ über die dadurch<br />

›bedingten‹ [Verhaltens]effekte, die (<strong>mit</strong>tels Ableitung/Realisierung von<br />

20 Da<strong>mit</strong> ist bspw. auch ausgeschlossen, rassistisches Denken/Handeln als ›irrational‹ aufzufassen, weil diese Sicht<br />

selbst auf einem Rationalitätsbegriff beruht, der <strong>mit</strong> dem Konzept der (ideologischen, restriktiven) Handlungsfähigkeit<br />

überwunden ist.<br />

21 Vgl. hierzu auch Holzkamp (1990).<br />

22 Geschieht dies nicht, nähme die Forschung den Verlauf einer Stagnationsfigur an.<br />

23 Vgl. zur Frage des Verhältnisses von Begriffen und empirischen Daten Markard (1988), zur Diskussion von<br />

Theorien und empirischen Daten auch <strong>mit</strong> nicht-kritisch-psychologischen Fachvertretern: Forum Kritische Psychologie<br />

43.<br />

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