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Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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Teil der diskursiven Aushandlungen in der Forschung, nicht als rein ›private‹<br />

Frage. Da<strong>mit</strong> ist meine situative Unsicherheit – resultierend aus der Unzufriedenheit<br />

<strong>mit</strong> meinem Vorgehen – nicht als vorrangig individuelles Problem von mir als<br />

Forscherin zu interpretieren, sondern als Anlass zur Hinterfragung sowohl gesamtgesellschaftlicher<br />

als auch wissenschaftlicher Diskurse. In der Umkehrung<br />

bot sie den Teilnehmer*innen auch die Gelegenheit, wie von Cemal, Muhamed<br />

und Mark vorgeführt, das Hierarchiegefälle zumindest situativ umzukehren und<br />

diente auch, und das bewerte ich positiv, als Ausdruck dafür, dass in den Forschungsbeziehungen<br />

Abgrenzungen erlaubt und möglich waren.<br />

1.2. Datenverlust oder Datengewinn durch (Un-)Sichtbarkeit?<br />

Das Beispiel von Cemals, Muhameds und Marks Herausforderungen weist über<br />

die Frage nach ehrlichen Forschungsbeziehungen hinaus, auf mögliche ›Verluste‹<br />

und ›Gewinne‹ bzw. inhaltliche Verschiebungen in der Datenerhebung. Selbstverständlich<br />

ließe sich diese Frage auch <strong>mit</strong> Blick auf andere Aspekte meines Auftretens<br />

im Forschungskontext stellen. Es ist davon auszugehen, dass die Teilnehmer*innen<br />

mich als ›Weiße‹, bürgerlich-privilegierte und christlich sozialisierte<br />

Erwachsene wahrnahmen und daraus ihre jeweils eigenen Schlüsse zogen, was<br />

meine Vertrauenswürdigkeit betraf. Ebenso wie mein Gender-Geschlecht-Sexualität<br />

war mein Alter Gegenstand von Spekulationen, wobei einige der Teilnehmer*innen<br />

überrascht waren, wenn sie mein Alter erfuhren – die meisten hatten<br />

mich deutlich jünger eingeschätzt und mir daher wohl auch einen gewissen Vertrauensbonus<br />

eingeräumt. Doch weder mein Alter noch meine sozio-kulturelle<br />

Herkunft wurden durch Verschweigen dramatisiert. Hingegen gab es einige Situationen,<br />

in denen eine andere Selbstpositionierung bezüglich Gender-Geschlecht-<br />

Sexualität von mir als Forscherin andere Ergebnisse erbracht hätte.<br />

Dabei geht es nicht um eine angebliche Authentizität, die ich durch mehr Offenheit<br />

erreicht haben könnte. Vielmehr verdeutlichen diese Situationen, inwieweit<br />

die Person und Selbstpositionierung von Forscher*innen die Forschung beeinflusst.<br />

Dies ist bei qualitativer Forschung besonders offensichtlich, gilt aber in<br />

ähnlichem Maße für quantitative Forschung, wenn spezifische normative Annahmen<br />

zur Grundlage beispielsweise eines standardisierten Fragebogens gemacht<br />

werden. Die diskursive ›Produktivität‹ spezifischer Forscher*innen, die <strong>mit</strong> spezifischen<br />

Teilnehmer*innen zusammentreffen, zeigt sich auch an den Einschränkungen,<br />

die in der Forschung implizit oder explizit angewendet werden.<br />

Die Frage, inwieweit ein anderes Auftreten meinerseits andere Forschungsergebnisse<br />

erbracht hätte, wurde besonders in den Gruppengesprächen zum Ende<br />

der Forschungsphase offensichtlich. In diesen Gesprächen, die in meistens von<br />

den Teilnehmer*innen gewählten Zusammensetzungen stattfanden, diskutierten<br />

die Schüler*innen auch über Homosexualität, z. T. in Verbindung <strong>mit</strong> Fragen nach<br />

ethnisierten Zugehörigkeiten. So fragte die Neuntklässlerin Hanna, die sich als<br />

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